Junger, Sebastian
weitaus simpler und überzeugender
als die Fähigkeiten, die zu Hause benötigt werden. »Im Korengal ließ sich so
gut wie jedes Problem dadurch lösen, dass man schneller gewalttätig wurde als
der andere«, sagte mir O'Byrne. »Mach das mal zu Hause. Da kommt es bestimmt
nicht so gut an.«
Es ist
eine sehr strapaziöse Lebensweise, aber wenn sie erst einmal alle deinen
Maßstäbe gesprengt hat, kommt dir alles andere langweilig vor. O'Byrne weiß
selbst nur zu gut: Wenn ihm langweilig ist, fängt er zu trinken an und gerät in
Schlägereien, und dann ist es nur noch eine Zeitfrage, bis er wieder in einer
staatlichen Einrichtung landet. Wenn es dazu kommt, könnte er genauso gut für
eine staatliche Einrichtung arbeiten - einer besseren,
und darin aufsteigen. Ich schlage einige zivile Jobs vor, die kleine
Adrenalinstöße versprechen - Expeditionsführer, Feuerwehrmann -, aber wir
wissen natürlich beide, dass es nicht dasselbe ist. Wir befinden uns auf einem
der höchst exponierten Vorposten des US-Militärs, und er möchte am liebsten
aus der Haut fahren, weil es schon seit Wochen kein gutes Feuergefecht mehr
gegeben hat. Wie bringt man einen Kerl wie den zurück in unsere Welt?
Zivilisten
sträuben sich gegen den Gedanken, dass einer der traumatischsten Aspekte des
bewaffneten Kampfs darin besteht, ihn aufgeben zu müssen. Krieg ist so
offensichtlich böse und falsch, dass die Vorstellung, er könne auch etwas Gutes
haben, fast schon obszön klingt. Und doch haben im Lauf der Geschichte Männer
wie Mac und Rice und O'Byrne, nachdem sie heimgekehrt waren, feststellen
müssen, wie schrecklich sie das vermissten, was eigentlich die schlimmste
Erfahrung ihres Lebens hätte sein müssen. Einem Kriegsveteranen kann die zivile
Welt belanglos und öde erscheinen, eine Welt, in der nichts auf dem Spiel steht
und in der nur die Falschen an der Macht sind. Diese Männer kommen nach Hause
und werden sehr bald von irgendeinem Major im Hinterland gescholten oder müssen
sich mit ihrer Freundin über irgendwelche Haushaltprobleme streiten, von denen
sie nicht die geringste Ahnung haben. Wenn Männer sagen, dass ihnen der
bewaffnete Kampf fehlt, meinen sie nicht, dass sie es vermissen, beschossen zu
werden - da müssten sie geisteskrank sein -, sondern dass ihnen die Welt
fehlt, in der alles wichtig ist und nichts als selbstverständlich gilt. Sie
vermissen es, sich in einer Welt zu befinden, in der die menschlichen
Beziehungen ohne Einschränkung davon bestimmt werden, ob man der anderen
Person sein Leben anvertrauen kann.
Das ist
eine so saubere und gerade Richtschnur, dass Männer sich im Krieg völlig neu
erfinden können. Man konnte zu Hause alles Mögliche gewesen sein - schüchtern,
hässlich, reich, arm, unbeliebt -, und all das hatte nichts zu sagen, weil es
in einem Feuergefecht völlig unerheblich ist. Und daher an sich unerheblich.
Punktum. Es zählt allein der Einsatz, den du für den Rest der Gruppe leistest,
und der ist so gut wie unmöglich vorzutäuschen. Darum sagen die Männer so
unglaublich vulgäre Dinge über Schwestern und Mütter. Auch das ist eine Möglichkeit
zu beweisen, dass nichts die Verbindung sprengen kann, die zwischen ihnen
besteht; eine weitere Möglichkeit zu beweisen, dass sie da draußen nicht allein
sind.
Krieg ist
ein großes und ausuferndes Wort, das viel menschliches Leid ins Gespräch
bringt, aber der bewaffnete Kampf ist etwas anderes. Er ist das kleinere Spiel,
in das sich junge Männer verlieben, und jede Lösung für das menschliche
Problem Krieg wird die Psyche dieser jungen Männer mit in Betracht ziehen
müssen. Aus einem bestimmten Grund lässt sich eine tiefe und auch rätselhafte
Genugtuung aus der gegenseitigen Übereinkunft schöpfen, zum Schutz einer
anderen Person das eigene Leben einzusetzen. Der bewaffnete Kampf ist so gut
wie die einzige Situation, in der dies regelmäßig geschieht. Auf diesen
Berghängen mit ihren losen Schieferplatten und Stechpalmen fühlen sich die
Männer zwar nicht lebendig wie nie - das können sie beim
Fallschirmspringen intensiver haben -, aber von Nutzen wie nie. So benötigt wie
noch nie. So eindeutig und so sicher und so sinnvoll. Wenn junge Männer dieses
Gefühl zu Hause haben könnten, würde keiner wieder in den Krieg ziehen wollen.
Aber sie können es nicht. Und so sitzt Sergeant Brendan O'Byrne, einen Monat
vor dem Ende seiner Dienstzeit, neben mir und erwägt ernsthaft, wieder zu unterschreiben.
»Ich habe
nur einmal in
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