Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jussifs Gesichter

Jussifs Gesichter

Titel: Jussifs Gesichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Najem Wali
Vom Netzwerk:
einen Großteil der Besatzung heim. Sie hatten sich bei Buthaina al-Nasir angesteckt, einer ekelhaft fetten Hure. Sie brauchten die Reste ihrer Weiblichkeit auf und schliefen allesamt mit ihr. Sie war als einzige Hure in der Stadt geblieben, nachdem ihre Kolleginnen sich in Gottes weite Lande zerstreut hatten. Jussif war der Einzige, der sich nicht den Tripper einfing. Er ekelte sich so sehr, dass er den Verkehr mit ihr verweigerte. Es reichte, den Betrag zu bezahlen, den sie jedem von ihnen abforderte. Man stelle es sich vor: fünfunddreißig Matrosen, einer nach dem anderen.
    In Abu Dhabi waren es weniger Freier, die der Reihe nach bei einem diesmal jungen Mädchen anstanden. Wann war das gewesen? War es wirklich in Abu Dhabi geschehen? Oder inDubai? Wo lag der Unterschied? Josef Karmali oder Josef K. oder Jussif erinnerte sich, dass er sich mit einer Gruppe von Seemannskameraden in den Park des Sheraton -Hotels gesetzt hatte, als er auf einmal den schwarzen Dichter in seiner schmutzigen weißen Dischdascha und der abgenutzten Kufija entdeckte. Lachend rief er: »Jussif, mein Freund in schwierigen Lebenslagen!« Josef Karmali oder Josef K. hatte vergessen, dass er sich unter diesem Namen vorgestellt hatte. Aber der Dichter dachte, dass er seinen Namen vergessen habe. Er zog ihn zu einem Tisch in der Nähe und fragte: »Weißt du nicht mehr, wer ich bin? Ich bin Ahmad! Das da sind meine Freunde, allesamt Dichter. ’Abd al-’Aziz, Muhammad.« Er deutete auf einen großen jungen Mann, schaute aber weiterhin argwöhnisch drein, als fürchte er eine Katastrophe. »Dies ist unser einziger Freund, der nicht Schriftsteller ist. Er ist Erdölingenieur, bei einer Bohrung auf der Insel Abu Musa.« Nichts hatten die Matrosen weniger erwartet als diese Überraschung: Die Männer luden sie zum Saufen in ihre Wohnung ein, es würden auch Mädchen da sein. So ging »Jussif« allein mit den vier Männern in die Wohnung eines der Dichter. Wie es schien, warteten die Männer auf ihren Freund, den Erdölingenieur, der einmal alle zwei, drei Monate hier Urlaub machte und Huren mitbrachte. Da der Erdölingenieur bezahlte, war er nicht gerade begeistert, dass auch Jussif zugegen war, zumal er bei der Puffmutter nur vier Mädchen bestellt hatte. Als die Puffmutter – sie sah wie eine Minenräumerin aus – kam, um vor dem Auftauchen der Mädchen die Lage zu checken und mit palästinensischem Akzent, den Josef Karmali sofort erkannte, wissen wollte, wieso sie fünf Personen seien, erklärte der Ingenieur ihr, dass ein Ausländer dabei sei. Jussif nickte bejahend mit dem Kopf, während ihn der schwarze Dichter flüsternd fragte, ob es ihm etwas ausmache, wenn er zu seinen Gunsten auf den Spaß verzichte.
    »Die Mädchen trafen ein. Ich weiß nicht mehr genau, was passierte. Ich erinnere mich aber sehr wohl, dass wir eine Gruppe von fünf Männern waren: vier Bewohner des hiesigen Festlands, davon drei Dichter, ein Ingenieur von den Erdölfeldern und ein Fremder – ich. Wir soffen alle möglichen Sorten Whisky, bis uns die Mägen brannten. Plötzlich begann der Dichter, der mich für seinen Freund hielt, mir Glas auf Glas einzuschenken und dabei ständig zu wiederholen: ›Wir sind Freunde!‹ Ich weiß nicht, wie er darauf kam. Er riet mir, mich ein bisschen zu entspannen. Keine Ahnung, was er damit meinte. Vielleicht spielte er auf irgendeine Frau an, aber gewiss nicht in Abu Dhabi oder Dubai oder in einem anderen Sumpf. Ich wusste es nicht und machte ihm das auch deutlich. Da antwortete er: ›Sarab, Fata Morgana, Sarab!‹, und mir dämmerte, dass ich vergessen sollte. Mir war allerdings nicht ganz klar, was er mit Sarab, Fata Morgana meinte. Keines der anwesenden Mädchen hieß so. Sie erschienen mir alle weit entfernt, wie Fata Morganas, obwohl sie sich vor mir bewegten. Eine von ihnen – sie war noch jung und hatte grüne Augen, blonde Zöpfe und ein blaues T-Shirt – nannten wir Sarab, weil alles an ihr einer Fata Morgana glich. Ihren wirklichen Namen habe ich vergessen. Ich war einfach stockbesoffen. Mein Magen brannte. Ich weiß nicht mehr, ob ich mit dieser Sarab zum Bett ging oder nicht. In meinem Ohr klingelt noch ihre Stimme: ›Auf zum Bett.‹ Ich will aufstehen, aber eine Hand zieht mich herab und zwingt mich zum Sitzen. Erst denke ich, es ist der Ingenieur von den Ölfeldern. Er sagt: ›Da ist ja der Fremde.‹ Ich berichtige ihn: ›Meine Name ist Jussif, bitte.‹ Da antwortet er: ›Na gut, Jussif oder Josef. Hör

Weitere Kostenlose Bücher