Juwel meines Herzens
verfluchte die sich kräuselnde Perle und die Diamanten. Der echte Schatz war ganz genauso fragil wie dieses Spiegelbild.
Und überhaupt war es kein wirklicher Schatz, sondern nur ein riesiger glitzernder Haufen von Metall, der seinem Besitzer nichts als Kummer bereiten würde. Beispielsweise Captain Kent. Dem ersten Captain Kent. Wegen des Schatzes hatte er sein Leben verloren, und Jewel würde nun ihr Herz und ihre Seele verlieren.
Mit dem Schatz hatte alles angefangen, und mit ihm würde es auch enden. Er war es gewesen, der Nolan und Bellamy überhaupt erst zusammengeführt und anschließend beide zu ihr geleitet hatte. Ihr erster gemeinsamer Besuch des »Quail and Queen« hatte nicht im Geringsten mit dem Wunsch ihres Vaters zu tun gehabt, seine vergessene Tochter zu sehen, noch war Nolans zweites Auftauchen eine galante Geste gewesen, um sie aus einer arrangierten Ehe zu retten. Und um ihr ihren niedrigen Rang in der Ordnung der Dinge noch deutlicher vor Augen zu führen, beanspruchte der Schatz jetzt auch noch ihren Geliebten. Jewel selber würde aus diesem Abenteuer nichts weiter als eine Handvoll kaltes Metall bleiben.
Mit der Fingerspitze fuhr sie durch das glatte Wasser, um ihre erste Erinnerung an Bellamy und Nolan zu verscheuchen. In jener Nacht hatten sie auch gekämpft. Es war dieselbe Nacht gewesen, in der sie ihren Vater zum ersten Mal überhaupt gesehen hatte. Sie seufzte. Wie hatte sie jemals glauben können, dass sie einen der beiden verändern konnte?
Sie brauchte nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was in diesem Moment am Strand geschah. Vor langer, langer Zeit hatten die beiden einen ähnlichen Streit vor ihren Augen ausgetragen. Der Gedanke ließ ihr Herz für einen Schlag aussetzen. Jewel unterdrückte ein Schluchzen, als sie nach Atem rang, der nicht kommen wollte. Ohne ihr Zutun spielte sich der längst vergangene Kampf zwischen ihrem Vater und Nolan noch einmal mit einer Klarheit vor ihren geschlossenen Augen ab, wie sie es bis zu diesem Augenblick noch nie erlebt hatte. Sie sah, wie die Klinge in Nolan fuhr und konnte seinen Schmerz spüren.
»Nein!« Ihre Augen flogen auf, dann war sie schon auf den Beinen. Damals hatte ihr Vater betrogen. Nolan hatte ihn nicht verletzen wollen, aber er hatte den Jüngeren angegriffen, als der gerade nicht achtgegeben hatte. Sie konnte nicht zulassen, dass sich das Spiel ein zweites Mal wiederholte.
Ein starker Arm legte sich um ihre Hüfte, als sie auf den ausgetretenen Pfad zurückfand, der zum Strand führte. Die unerwartete Berührung ließ sie gegen den Mann taumeln, der ihren Schritt gebremst hatte, so dass beide kurzzeitig die Balance verloren.
»Ich kann das nicht zulassen, Jewel.« Tyrell stützte sie beide, bis auch Jewel wieder auf sicheren Füßen stand.
Dann rammte sie ihm einen Ellbogen in die Rippen – es war kein Schlag, um ihn kampfunfähig zu machen, eher ein eindringliches Flehen, sie gehen zu lassen. »Ich muss sie aufhalten.«
Zu seiner Ehre murrte er weder, noch lockerte er seinen Griff. »Nolan will Euch nicht dabeihaben. Belasst es dabei.«
»Mein Vater wird ihn hintergehen, es wird nicht mit fairen Mitteln zugehen. Bitte.« Beim Kampf gegen seinen unnachgiebigen Arm geriet sie schnell außer Atem. »Bitte, Tyrell. Ich habe eine böse Vorahnung.«
»Gut. Ich lasse Euch jetzt los, aber fangt nicht an zu laufen. Ich werde Euch verfolgen müssen, und da draußen herrscht eine höllische Dunkelheit. Ich möchte nicht, dass sich einer von uns beiden auch noch den Hals bricht.« Langsam lockerte er seinen Arm.
Sie drehte sich zu ihm um. Die Tatsache, dass auch er nicht dem Kampf beiwohnte, machte alles nur noch schlimmer, denn er schien der Einzige zu sein, der bei dieser Tortur noch bei Vernunft geblieben war. »Wir müssen zum Strand – mein Vater wird Nolan wieder betrügen, wie er es schon einmal getan hat.«
»Ich glaube, unser Captain ist sich dessen bewusst«, antwortete Tyrell resigniert.
»Aber Nolan könnte
sterben!
« In dem unmöglichen Versuch, seine Gleichgültigkeit zu durchbrechen, hatte sie ihre Stimme erhoben.
»Wayland hat versprochen, dass er das nicht zulässt.« Tyrell zuckte mit den Schultern. »Zumindest, als ich ihn überreden wollte, Nolan zur Vernunft zu bringen.«
»Und Ihr glaubt ihm? Ich muss jetzt zum Strand.« Jewel drehte sich um und marschierte los. Sie erwartete nicht, dass Tyrell sie noch einmal zurückhalten würde, wenn sie gemäßigten Schrittes ging. Wie sie gehofft
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