Juwelen der Liebe
aber wohl warten, bis Abigail und Hilary die Geschichte in Umlauf brachten. Zum Glück kannte sie die Damen gut genug, um zu wissen, dass diese der ersten Person, die ihnen über den Weg lief, alles brühwarm erzählen würden.
22
»Ich finde es soooo romantisch.«
»Aber ich dachte, Lady Kimberly und der Marquis wären so gut wie verlobt.«
»Offenbar nicht, oder ...«
»Nun, ich habe gehört...«
»Barbarisch, wenn ihr mich fragt...«
»Schotten sind normalerweise ...«
»Da bin ich anderer Meinung, wirklich. Der Cousin meines Vaters stammt aus den Highlands. Sie spielen dort Golf. Sehr zivilisierte Leute, diese Schotten.«
»Ich meinte, dass sie ihren Sonnenschirm über seinem Kopf zerbrochen hat. Wirklich schade um den Schirm.«
»Davon habe ich gehört.«
»Ich fand es eher komisch.«
»Das sieht dir ähnlich, Abigail. Du hast selbst vier oder fünf über dem Kopf deines Elbert zerbrochen, stimmt’s?«
»Nur zwei, meine Liebe.«
»Nun, ich habe gehört, dass er ...!«
»Guter Gott, Mabel, nun schrei doch nicht so. Was hast du gehört?«
Es folgte ein leises Murmeln. »Jetzt habe ich es vergessen.«
Jemand kicherte. »Übrigens habe ich es aus sicherer Quelle, dass sie ihm schon dreimal einen Korb gegeben hat.«
»Wem? Dem Marquis?«
»Nein, du Dummchen, dem Schotten.«
»Aber was ist mit dem Viscount? Ein erstklassiger Fang, und außerdem scheint er interessiert.«
»Canston? Er ist immer interessiert. Aber nicht an der Ehe, wenn ihr versteht, was ich meine.«
»Nun hör aber auf, Hilary, und werde nicht gehässig. Nur weil nichts dabei herauskam, als der Viscount vor einigen Monaten deiner Nichte den Hof gemacht hat...«
»Steigt ihr die ganze Saison nach, ohne sich jemals zu erklären.«
»Ganz wie sein Vater, wenn ihr mich fragt. Der alte Canston war zu seiner Zeit auch ziemlich wählerisch ...«
»Unsinn, sie sind nur etwas langsam, wenn sie sich entscheiden sollen. Liegt in der Familie ...«
Das war ein recht typisches Beispiel für die Gespräche, die Kimberly den Tag über mitgehört hatte, beim späten Frühstück, nach der Andacht, die sie anschließend besuchte, zur Teezeit am Spätnachmittag und dann wieder beim Dinner. Sie hörte entweder Flüstern oder traf auf völliges Schweigen, sobald ihre Anwesenheit bemerkt wurde, oder aber sie musste das aufgeregte Gerede mit anhören, wenn die anderen sich unbeobachtet fühlten. Sie schlüpfte wortlos aus dem Kartenzimmer, um die angeregt plaudernde Gruppe nicht in Verlegenheit zu bringen, obwohl diese Leute es verdient hätten.
Es tat ihr außerordentlich leid, in diese Geschichte verwickelt zu sein. Tratsch war so unappetitlich. Doch sie hätte wohl zu viel erwartet, wenn sie gehofft hätte, dass das kleine Drama, zu dem Lachlan am Morgen den Anla ss gegeben hatte, nicht auf Sherring Cross die Runde machen würde.
Genausowenig durfte sie hoffen, dass die Geschichte keine weiteren Kreise zog. Tatsächlich wäre sie nicht überrascht, wenn die Sache bis zum Ende der Woche auch ihren Vater erreichte. Und dann würde es nicht mehr lange dauern, bis er wutschnaubend in Sherring Cross vor der Tür stand. Ein Schotte in Verbindung mit seinem Namen, dafür würde er die Gründe erfahren wollen.
Sie wunderte sich allerdings nicht darüber, dass jede Version der Geschichte auf irgendeine Weise falsch war. Tratsch funktionierte nun einmal so. Nach ein paar Runden war der Inhalt kaum noch wiederzuerkennen.
In einer Fassung wurde der arme Howard von dem Highlander kräftig verprügelt. Eine andere wollte es, dass Kimberly eine Verlobung mit Lachlan gebrochen hatte, was ihn vermutlich dazu getrieben hatte, beim Anblick von Howard wie ein Berserker zu toben. Wieder eine andere ließ James Travers den Schlag auf den Viscount ausführen. Der Marquis war nicht einmal dabeigewesen, und doch wurde er in die Geschichte hineingezogen, weil er sich häufig in ihrer Gesellschaft befand. Schließlich kam ihr zu Ohren, dass sie zwei-oder dreimal Lachlans Heiratsantrag abgelehnt hatte, einer der Herren behauptete sogar, es seien sechs Anträge gewesen ... nur um eine Entschuldigung für sein eifersüchtiges Verhalten zu finden, vermutete sie.
Eifersüchtiges Verhalten? Nein, nichts war absurder. Vielleicht, wenn es um Megan gegangen wäre, aber bei ihr? Ihre einzige nahe Begegnung, außer einigen Auseinandersetzungen, war die gemeinsame Nacht gewesen, nachdem sie beide zuviel Champagner getrunken hatten. Seitdem bestand ein eher feindseliges
Weitere Kostenlose Bücher