Käptn Snieders groß in Fahrt
Nein! Womöglich machte sie eine herzlose Bemerkung, und die konnte er jetzt nicht ertragen. Er entschloß sich, Kluten Neumann ins Vertrauen zu ziehen. Der war so pfiffig und gewitzt, daß er bestimmt einen Rat wußte.
Wolfgang stand auf und machte sich auf die Suche.
Kluten war auf dem Hof und putzte siebzehn Paar Schuhe. Er sah aus wie ein Schornsteinfeger kurz vor Feierabend.
„Hallo, Wolfgang“, rief er, „willst mithelfen? Da ist ’ne Bürste.“ Wolfgang nahm die Bürste und begann einen derben Arbeitsschuh auf Hochglanz zu bringen.
„Kluten“, sagte er, „meine Eltern haben sich scheiden lassen.“ Kluten unterbrach seine Arbeit und sah Wolfgang betroffen an. „Mensch, so was!“ sagte er, sonst nichts, aber es lag mehr Trost darin als in einer Rede aus wohlgesetzten Worten.
Beide sprachen lange nicht, fuhren nur eifrig mit den Bürsten über das stumpfe Leder. Schließlich sagte Wolfgang: „Mein Bruder kommt in drei Tagen für sechs Stunden nach Wilhelmshaven. Ich möchte ihn gerne besuchen, habe aber nur zwei Mark siebzig.“
„Kein Problem“, rief Kluten hilfsbereit, „das läßt sich schaukeln. Mein Hühnerfuttertrick bringt uns zwei fuffzig, und notfalls mach’ ich im Portemonnaie meiner Mutter ’ne vorübergehende Anleihe.“
„Nein“, sagte Wolfgang, „das möchte ich auf keinen Fall, dann bleibe ich lieber hier.“ Es tat ihm aber wohl, zu hören, daß der Freund bereit war, für ihn zu stehlen.
„Hm“, brummte Kluten grübelnd, „zu Fuß ist es zu weit, Eisenbahn und Bus scheiden aus. Fahrräder haben wir nicht, bleibt nur der Seeweg.“
„Du meinst mit dem Schiff?“
„Schiff nicht gerade, aber Boot, das von Jachens zum Beispiel.“
„Du, das möchte ich nicht!“ rief Wolfgang. „Erstens kann ich gar nicht richtig rudern, und zweitens gibt es bestimmt viel Ärger, wenn Herr Jachens was merkt.“
„Rudern kann ich, das wäre das wenigste“, sagte Kluten nachdenklich, „aber du hast schon recht, wenn er dahinterkommt, daß wir das Boot haben, macht er ein Mordsgeschrei. Ich kenn’ ihn, der stellt sich immer gleich so doof an. Bleibt also nur ein Floß.“
„Floß?“ fragte Wolfgang überrascht. „Damit kann ich bestimmt nicht fertig werden.“
„Du nicht, aber ich.“
„Wieso, kommst du denn mit?“
„Na, was denkst du denn, das ist doch Ehrensache.“
„Hast du denn ein Floß?“
„Nee, das müssen wir uns schnell bauen.“
„Kannst du das?“
„Pah, ist doch nichts bei! Wir brauchen nur ein paar Bretter und leere Kanister.“
„Und woher kriegen wir die?“
„Das kann ich dir ganz genau sagen. Die Kanister finden wir auf
dem Schuttplatz, und die Bretter stehen fein säuberlich bei Pannemanns Käserei auf dem Hof, mindestens zwanzig Stück.“
„Meinst du, daß Pannemann uns die gibt?“
„Och, ich frag’ lieber nicht und nehm’ sie mir so.“
„Klauen?“
„Das ist doch kein Klauen, Mensch, wenn die so viele davon haben! Und wenn mal ’n paar Käse weniger gemacht werden, ist das auch nicht schlimm.“
„Gut, aber ich bin natürlich dabei, wenn du die Bretter holst“, sagte Wolfgang.
„Mußt du auch, allein sind mir die Dinger zu schwer. Am besten nehmen wir Max noch mit. Mit drei Mann macht sich das besser.“
Sie putzten gemeinsam die restlichen Schuhe und machten sich dann auf die Suche nach Max, um ihn über ihr Vorhaben zu unterrichten. Der war sofort Feuer und Flamme und mit guten Vorschlägen zur Hand.
„Mensch, das ist mal wieder ’ne Sache“, sagte er. „Ich wollt schon immer mal mit ’nem Floß die Weser ’runter.“
Sie verabredeten, sich abends um zehn bei Mitzka vor dem Haus zu treffen. In Turnschuhen! Dann trennten sie sich.
Als die Nacht dunkel über die Weser fuhr, huschten drei Gestalten leise die Klinkerstraße entlang. Vor Mitzkas Haus blieben sie einen Augenblick lauschend stehen, drückten dann behutsam die Klinke der Pforte nieder und schlichen am Haus vorbei in den Hintergarten. Niemand störte sie. Alle schienen schon zu schlafen. Auch Mitzkas Hund.
Der Garten grenzte an den Garten der Käserei, in dem Herr Pannemann sein Gemüse zog. Vor dem Zaun hielten sie an. „Mach die Funzel aus“, zischte Max. „Meinst du, die haben keine Augen im Kopp?“
„Da ist doch keiner mehr wach“, flüsterte Kluten zurück, knipste aber doch die Taschenlampe aus.
„Du bleibst hier und paßt auf“, ordnete Max nun an. Er meinte Wolfgang damit, der vor Aufregung nicht stillstehen konnte. „Wenn
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