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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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meinte unter anderem das Niederbrennen Hunderttausender Papyrusrollen in der alexandrinischen Bibliothek siebenundvierzig vor Christus.
    Saintluca fragte: „Doktor, weshalb erzählen sie uns hier ständig von angeblichen Kriegen?“
    Eiko zögerte mit einer Antwort. Alain musterte ihr bewegtes Gesicht. Sie kaute auf der Unterlippe und sagte schließlich: „Weil es mir wichtig erscheint.“
    Saintluca lächelte abfällig und sah auf ihre Papiere, doch Berg schien von Eikos Worten alarmiert. Sein Blick strich von Saintluca über Monterrey zu Eiko, wo er blieb. „Warum ist es wichtig?“
    Saintluca sah rasch auf. „Sie glaubt, Deimos Auftauchen gehe einem Krieg zuvor.“
    „Ich glaube, daß es so sein könnte.“
    „Ich glaube das nicht.“
    „Ach, ich bitte Sie“, sagte Alain so entspannt wie möglich. „Das ist nicht wahr.“
    Saintlucas Augen funkelten. „Finden Sie?“
    Alain konnte ein Aufseufzen nicht unterdrücken. Er mühte sich, dieser Frau keine Antipathie entgegenzubringen – eine Herausforderung. Saintluca schien über ein ganzes Repertoire an Animositäten gegen alles und jeden zu verfügen.
    Berg sagte: „Die kennen also die Erde. Finden wir heraus, was es damit auf sich hat, und ob uns Gefahr droht.“ Sein Gesichtsaudruck verriet, daß er eine Entscheidung gefällt hätte. „Schicken wir ein Team, ehe es jemand vor uns tut.“
    Blaskowitz sagte: „Warum kommen die nicht zu uns? Mir gefällt der Gedanke nicht, unsere Leute zu diesem Ding zu schicken.“
    Alain lachte unecht. „Sie wittern doch nicht allen Ernstes eine Falle. Kommen Sie, Marshall, das ist doch töricht.“ Alle sahen ihn an. Sich am Hinterkopf kratzend, fügte er eine Spur weniger herablassend hinzu: „Nun, ich bin sicher, wir haben nichts zu befürchten, von diesem ... Ding.“
    Saintluca starrte ihn an, ihr Mund ein schmaler Strich.
    Alain schöpfte neuen Mut, den aufkommende Wut nährte. „Die haben sicher anderes im Sinn, als unsere Leute festzusetzen, oder mit ihnen fortzufliegen, oder was auch immer mit ihnen anzustellen. Bitte, das ist abwegig.“ Er suchte und fand den Blick seines Präsidenten, in dem zu seiner Erleichterung etwas wie Billigung stand. „Das ist absolut wahr“, sagte Berg.
    Alain atmete durch. Beim Präsidenten entsprach der Eindruck stets dem, was er auch zu bieten hatte. Dieser Mann war wirklich
très élégant
. Alain mißfiel es jetzt sehr, dem Schweden bei dessen Erdrutschsieg ’39 seine Stimme verwehrt zu haben.
    „Die Regeln machen nicht wir“, sagte Berg weiter. „Wir können tun, was sie verlangen – oder es bleiben lassen. Aber wenn wir Antworten wollen, werden wir es wagen müssen.“
    Saintluca sagte: „Wer sagt Ihnen, daß es ein Team der Europäer sein wird, was Deimos zuerst erreicht? Woher diese Gewißheit, wir wären die Richtigen? Weshalb nicht eine andere Weltmacht?“
    Berg sagte: „Weil herrschende Machtverhältnisse uns dazu legitimieren.“
    Das mochte stimmen. In den 2030er Jahren – nach dem Zusammenbruch der NATO – hatte sich Europa zu einer moralischen und soziokulturellen Instanz entwickelt. Die wirtschaftlich am Boden liegenden afrikanischen Staaten südlich der Sahara sowiedie von China eingeschüchterten und von Indien protegierten asiatischen Länder wie Südkorea, Taiwan oder Thailand hatten die Europäische Union im letzten Jahrzehnt in diese Position gedrängt. Dies und zuletzt das volkswirtschaftliche und machtpolitische Versagen der Russen und Amerikaner. Das Alte Europa – geführt von der Deutsch-Französisch-Achse – war zwar militärisch den anderen Mächten nicht überlegen, galt aber nicht nur wegen stabiler innerer Strukturen für viele als einzig verläßliche Führungskraft. Europa bekannte sich zu seiner Geschichte, zu seinen Fehlern. Europa half den wirtschaftlich Schwachen und den Unterdrückten. Europa war die Wiege von Kultur und Wissenschaft. Eine Delegation des Alten Kontinents sollte Deimos zuerst erreichen.
    „Was Aron sagt, stimmt einfach“, sagte Bals. „Ein wenig mehr Mut schadet nicht.“
    „Tun wir es. Schicken wir ein Team hoch“, stimmte Monterrey zu. „Die NASA ist wegen des gigantischen Staatsdefizits chronisch unterfinanziert; die Russen verfügen nach dem Bürgerkrieg nicht über die Mittel, ein solches Projekt zu stemmen, und die Chancen, Deimos mit einem der neuen Shuttle vor den Chinesen zu erreichen, sind sehr gut.“
    In London beschlich Eiko ein schlechtes Gefühl; Alain waren diese politischen

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