Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Zeitenwanderer ihre eigene Kommandostruktur nicht beibehalten können. Irgendwann würden sie völlig in den römischen Streitkräften aufgehen, sich mit ihnen vermischen, und es würde römische Offiziere geben, die Befehle erteilten. Je mehr sich die Deutschen an eine solche Konstellation gewöhnten, desto leichter würde ihnen diese zukünftige Integration fallen. Natürlich gab es noch Vorbehalte – oder eher Vorurteile. Von Geeren selbst pflegte das eine oder andere. Aber es waren Männer wie Verilius mit ihrer pragmatischen Professionalität, die diese mehr und mehr irrelevant machten.
»Tribun von Geeren, dieser Wall hier ist scheiße!«, erklärte der Zenturio und wies auf einen Teil der Befestigung, an dem die Infanteristen derzeit arbeiteten. Natürlich waren es Bemerkungen wie diese, die auf der anderen Seite dazu führten, dass von Geeren tief Luft holen und ein klein wenig um Beherrschung ringen musste. Ein ganz klein wenig nur.
»Was hast du für Verbesserungsvorschläge?«
Es folgte ein längerer Vortrag, der unter anderem bewies, dass die römischen Legionäre weitaus mehr Erfahrungen darin hatten, aus dem Nichts Wälle, Wände und Gräben zu produzieren, als die deutschen Soldaten. Von Geeren nahm die Flut an guten Ratschlägen mit stoischer Gelassenheit an. Seine Männer hatten beim Wort »scheiße« die Arbeit bereits eingestellt und schauten den Hauptmann erwartungsvoll an. Als Verilius seine Ausführungen beendet hatte, holte von Geeren tief Luft, rang sich ein Lächeln ab und nickte.
»So machen wir es, Zenturio!«
Das Stöhnen seiner Männer überhörte er geflissentlich. Es mochte sein, dass er ihnen damit zusätzliche Arbeit sowie verletzten Stolz eingebracht hatte. Wenn dies aber dazu führte, dass sich ihre Überlebenschancen in der kommenden Schlacht erhöhten, war er bereit, diese Verletzungen hinzunehmen.
Von Geeren nickte den Männern zu und wanderte zu einem anderen Teil der Position, die sie derzeit vorbereiten. Hier wurden drei MG-Nester aufgebaut. Erst hatten sie sich überlegt, die MGs weiter zu verteilen, sich dann aber dagegen entschieden. Der Aufwand zum Schutz der Nester war zu groß und würde ihre Kräfte zu sehr ausdehnen, was das Risiko erhöhte, die Schützen zu verlieren. So konnten sie die Feuerkraft massieren wie auch besser für die Sicherheit der Männer sorgen. Die Reichweite der Maschinengewehre war so groß, dass sie das gesamte Schlachtfeld bestreichen konnten. Ihr größtes Problem war jedoch, wie auch bei allen anderen Schusswaffen, die vorhandene Munition.
Von Geeren hatte vor einigen Tagen einen vollständigen Waffenappell gemacht. Alle Gewehre, Pistolen und Maschinengewehre waren in ausgezeichnetem Zustand. Die Soldaten hatten die Waffen gut gepflegt, wohl wissend, dass es keine Ersatzteile gab und sie voll verantwortlich waren für die Lebensdauer ihrer Werkzeuge. Von Geeren hatte kaum etwas auszusetzen gehabt. Aber die Ernüchterung war groß gewesen, als es darum ging, die Munition zu erfassen. Für die rund 100 noch Infanteristen standen nur noch je 40 Patronen zur Verfügung. Die MGs konnten noch auf jeweils rund 2000 Schuss zurückgreifen, was bei ihrer Feuergeschwindigkeit jedoch auch kein besonders komfortables Polster war. Die Handfeuerwaffen der Offiziere waren ebenfalls nur noch begrenzt einsatzfähig. Und so hatte von Geeren allen eingeschärft, lediglich dann zu schießen, wenn das Ziel klar erkennbar war und es sich lohnte anzugreifen. Jeder Schuss musste sitzen. Gerade die MGs mussten sich auf kurze Feuerstöße konzentrieren, mit denen möglichst viel Unheil anzurichten war.
Mittlerweile waren alle Infanteristen mit Schwertern ausgerüstet worden. Legionäre des Verilius hatten ihnen in jeder freien Minute den Umgang mit der Waffe beigebracht. Auch von Geeren hatte an den Übungen teilgenommen und gemerkt, dass er für diese Art des Kampfes untalentiert war. Er hatte fechten gelernt, aber das war etwas ganz anderes als die Arbeit mit der Klinge, die sie hier zu führen hatten. Das römische Kurzschwert war im Wesentlichen eine Stoßwaffe und das Langschwert wurde mehr geschwungen, als dass man es zu einem echten Fechtduell verwendete. Seinen Offizierssäbel hatte von Geeren auf der Saarbrücken gelassen. Es war eine voll funktionsfähige Waffe, gleichzeitig aber vor allem ein Stück von hoher Symbolkraft und nichts, was er im Kampf zerbrechen oder beschädigen wollte.
Es würde der Tag nahen, an dem ihre Schusswaffen sinnlos waren.
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