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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Flasche.
    »Jetzt ist er zu Muttertag draußen«, sagte Henny Sesterheim sanft. »Ist doch schön.«
    Gundel dachte an Hajos Kinderzeit zurück. Als kleiner Junge hatte er stotternd vor ihr gestanden, mit einem halb verwelkten Löwenzahnsträußchen in der Hand, und sich mit einem Gedicht abgeplagt:
    Meine liebe Mutti du, ich will dir etwas schenken. Was ich dir sagen will dazu, das kannst du dir schon denken:
Ich wünsch dir Glück und Fröhlichkeit, die Sonne soll dir lachen! So gut ich kann und allezeit will ich dir Freude machen.
    Sie hoffte inständig, dass ihr vertrottelter Spross inzwischen all ihre schriftlichen Instruktionen befolgt hatte und mittlerweile sicher in seinem Versteck angelangt war.
    »Und wie geht’s jetzt weiter mit Pawlowsky?«, fragte Lütgenjohann.
    Wie oft hatten sie schon Pläne geschmiedet, ihn aus dem Weg zu räumen, hatten zusammengesessen und sich geschworen, ihn zu beseitigen.
    Beim Ausflug zum Bismarckturm vor ein paar Wochen war er ganz dicht hinter Gundel die schmale Metalltreppe hinuntergestiegen, nachdem sie sich gemeinsam mit den anderen Senioren auf der Aussichtsplattform am herrlichen Rundblick erfreut hatte. Und er hatte sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger gepikt und gestupst und fortwährend gemurmelt: »Los, schneller, du alte Schachtel, gib Gas.« Die Hitze war ihr zu Kopf gestiegen, der Schweiß ausgebrochen, sie war gestrauchelt, gestolpert – und es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte sich den Hals gebrochen.
    Da hatte sie es endgültig gewusst: Pawlowsky war ein Sadist. Und der Sadist musste weg.
    Gundel zog ihr Mobiltelefon heraus und schaltete die Rufnummernübertragung aus. Dann blickte sie noch einmal prüfend in die Runde. Alle nickten. Sie wählte.
    Am anderen Ende ertönte Pawlowskys raue Stimme. »Ja?«
    »Ich bin’s«, flötete Gundel und bemühte sich um einen jugendlichen, verführerischen Tonfall. »Die Melanie aus Westick.«
    »Kenn ich nich.«
    »Klar doch. Die große Blonde mit der gepiercten Nase.«
    Am anderen Ende wurde offenbar überlegt. Und geschnauft.
    »Ich würd dich gern treffen«, hauchte Gundel-Melanie.
    »Momentchen ma, Schätzken, ich kenn dich doch gar …«
    »Morgen früh um zehn am Wasserkraftwerk, okay?«
    Gundel unterbrach die Verbindung, denn am Klang von Pawlowskys Stimme hatte sie erkannt, dass sie ihn nicht weiter scharf machen musste. Der würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen.
    Sein dicker Zeh brannte wie Höllenfeuer. Das ließ ihn fast ein bisschen die Hoden-Malaise vergessen. Vermutlich würde es eitern und der Zehennagel würde irgendwann abfallen. Warum passierte immer ihm so was?
    Er hatte die Dämmerung abgewartet, so, wie seine Mutter ihm das in ihren knappen Zeilen aufgetragen hatte. Dann war er runter zur Ruhr geschlichen. In der Nähe des Kettenschmiedemuseums fand er das beschriebene kleine Haus mit dem Zu-verkaufen-Schild im Fenster, das offenbar einem ihrer Mitbewohner aus dem Heim gehörte. Er bewunderte ihr Organisationstalent. Wieso hatte er nur in dieser Hinsicht so gar nichts von ihr geerbt? In den Garten kam er, wie vorhergesagt, unbehelligt rein und inmitten vom dichten Haselnussgestrüpp stand auch die beschriebene kleine Hütte. Der Schlüssel lag auf einem Querbalken unter Spinnweben. Er hatte unglaubliche Angst vor Spinnen. Aber er würde wohl oder übel mit diesen Tierchen zusammen die Nacht verbringen müssen, so viel stand fest, als er die vergammelte Holztür aufschob und in das Innere der Behausung blickte.
    In Werl hatte er im Knast eine so schöne, saubere Zelle gehabt. Hajo musste schwer schlucken. Die Hütte roch modrig und das zerschlissene Sofa, das ihm als Bett dienen sollte, war feucht und schimmlig. Ein Bündel Klamotten lag für ihn bereit. Das war eine positive Überraschung. Aber ansonsten … Eine Flasche Zitronenlimonade, eine in Folie verschweißte Salami. Und ein Päckchen bunt bemalter Partyeier. Ohne Salz. Na klasse, sein Sodbrennen meldete sich auf der Stelle.
    Als er in die Hose schlüpfte, brannte es in seinen verkalkten Hoden wie Feuer. Der Schmerz war nur zu ertragen, so fand er heraus, wenn er den Hosenstall offen ließ. Das T-Shirt war ihm mindestens zwei Nummern zu klein und spannte am Hals enorm. Er konnte kaum schlucken.
    Er hockte sich auf das miefige Sofa, biss lustlos in die Salami und musste auch schon sofort sauer aufstoßen. Als Nächstes öffnete er den Umschlag, der zwischen den Kleidungsstücken gelegen hatte. Er enthielt eine kurze Notiz

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