Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)
Kolosseumsverwalter immer etwas besinnlich. Ein kühler Nachtwind zog auf und zupfte an seinem scharlachroten Nachtgewand mit dem schwarzen Pelzbesatz an den Säumen, während er seinen mit Juwelen besetzten goldenen Kelch an die Lippen führte und an dem schweren süßen Ferrumer Jungfrauenblut nippte. Anschließend stellte er den Kelch auf der kunstvoll mit kämpfenden Gladiatoren verzierten Brüstung seines Balkons ab und ließ den Blick über die Dächer der Stadt schweifen. Hier und da sah er helle Rauchsäulen silbrig und fahl aus den Kaminen aufsteigen und in vielen Fenstern brannte noch warmes orangenes Licht. In einiger Entfernung sah er die vom Mondlicht hell beschienenen Statuen der Götter sich erheben, welche die gesamte Stadt umrundeten. Diese gut dreißig Schritt hohen und von wahrer Meisterhand geschaffenen Monumente standen mit zum Gruß erhobener Hand auf der massiven Stadtmauer und zwischen ihren titanischen Füßen gähnten die Tore zur Stadt. Zu der Zeit wurden auf Lurhann zehn Götter verehrt und so hatte die Stadt Larrad folglich auch genau zehn Tore, über denen sich ihre schweigenden Wächter erhoben. Am besten konnte Packrit Kull die Statue des Göttervaters Odan – stolz, erhaben und autoritär -, und daneben die des Kriegsgottes Barachur – kraftvoll, unbeugsam und inspirierend – erkennen. Eigentlich hatte er ursprünglich lieber die Gemächer auf der Nordseite des Kolosseums beziehen wollen, da diese einen beneidenswerten Blick auf die Statue des Pryan boten. Doch schon in der ersten Nacht hatte er den ganz besonderen Charme dieser Gemächer entdeckt und sich schließlich schweren Herzens bereiterklärt, auch mit diesen Vorlieb zu nehmen. Der besagte Charme zeigte sich vor allem nachts, wenn die Zimmer vom Schein der Kamine, Kerzen und Lampen erhellt waren und er mit freier Sicht auf die Fensterphalanx des direkt gegenüberliegenden Bordells dem illustren Treiben in den hübsch eingerichteten Gemächern beiwohnen konnte. Ein Luxus, den nun wirklich nicht jeder vorweisen konnte. Und in Bezug auf sein spirituelles Dilemma wurde ihm der Verzicht auf das steinerne Abbild seines Gottes mit dem ungehinderten Blick auf sein lebendiges Wirken in einem bunten Kaleidoskop körperlicher Freuden versüßt, welches von belustigend kurzweilig bis hin zu beeindruckend akrobatisch reichte. Manchmal, wenn er Glück hatte, erhaschte er dabei sogar einen Blick auf so manch hohes Tier der Stadt, wie es beim Beweis seiner sonst so aggressiv herausgekehrten Männlichkeit sang- und klanglos versagte und dann von den Damen mit viel Liebe und demütigem Verständnis wieder aufgerichtet werden musste – während er hinter seiner Brüstung kauerte und vor Lachen teuren Wein verschüttete. Nein, die Südseite war in der Tat die bessere Wahl gewesen.
Doch heute Abend stand ihm nicht der Sinn nach derartigen Späßen. Viel mehr nagte etwas an ihm. Der oberste Kolosseumsverwalter Kathros Samaris Zest hatte ihn heute wieder nach der Harpyie – dieser Kali Darad – gefragt. Und wie jedes Mal davor, hatte er ihm sagen müssen, dass er nichts Neues zu berichten wusste. Doch dieses Mal hatte er gelogen. Er wusste sehr wohl Neues zu berichten, doch waren diese Neuigkeiten keine, mit denen er seinem Herrn unter die Augen treten wollte; nicht, solange es sich vermeiden ließ. Er nahm noch einen Schluck Wein zu sich und stellte den Kelch dann, am Rand gehalten, auf die Balkonbrüstung. Sein Blick verlor sich in der dunklen Nacht jenseits der Götterstatuen.
Sie hatten die Spur verloren. Die besten Jäger des Kolosseums hatten die Spur einer verdammten, flugunfähigen Harpyie verloren. War ihnen wirklich jemand zuvor gekommen? Sicher, ein Umstand, der durchaus denkbar war, wenn man sich das horrende Kopfgeld vor Augen führte, dass auf ihre Ergreifung ausgesetzt worden war. Und... Was wäre, wenn diesem Jemand das Kopfgeld egal gewesen war und er die Harpyie einfach ihrer selbst wegen umgebracht hatte? Nein, das konnte nicht sein – das durfte nicht sein. Wie sollte er das Kathros erklären? Kathros Samaris Zest hasste nichts mehr auf dieser Welt, als geplatzte Geschäfte. Mit Unbehagen dachte Packrit Kull an den Magier, den sein Herr einst hatte... verschwinden lassen, nachdem ein verpatzten Zauber einen seiner beliebtesten Gladiatoren das Leben gekostet hatte.
Und was würde mit ihm geschehen? Bedeutete er, sein Stellvertreter, ihm wirklich so viel mehr, dass er vor seinem Herrn auf Gnade hoffen konnte? Gut, er
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