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Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Sie war ja nicht allein.
    Aus der Stille von draußen kam nun endlich das erwartete Signal, das Signal der Weißen Rosen, und bald darauf die hastig gezischte Frage: »Eva-Lotte, hast du was zu essen für uns?«
    »Und wie!« sagte Eva-Lotte.
    Sie beeilte sich, zwischen den Latten Butterbrote und kalte Kartoffeln und kalte, fettige Wurstscheiben und kalte Schinken-stücke hindurchzuschieben. Sie bekam nicht das kleinste »Danke«
    von denen da draußen, denn es war technisch unmöglich, mehr als ein zufriedenes Grunzen während des Kauens auszustoßen.
    Nun, da sich Eßbares in Reichweite befand, war ihr Hunger noch rasender als zuvor, und so stopften sie alle Delikatessen, die ihnen Eva-Lotte aus dem Fenster reichte, in sich hinein.
    Schließlich mußten sie aber einmal Atem holen, und Kalle murmelte: »Ich hatte völlig vergessen, daß Essen so gut sein kann.«
    Eva-Lotte lachte im Dunkeln. Sie war glücklich wie eine Mutter, die ihren hungrigen Kindern Brot gibt. Aber sie flüsterte: »Steckt den Rest in die Taschen. Haltet euch nicht auf.«
    »Ja, tatsächlich«, sagte Anders. »Das wäre das beste …«
    Kalle unterbrach ihn: »Du, Eva-Lotte, weißt du, wo der Professor ist?«
    »Er sitzt eingesperrt in dem Häuschen oben auf dem Felsen«, erwiderte Eva-Lotte. »In dem Häuschen, das der See am nächsten liegt.«
    »Glaubst du, daß Rasmus auch dort ist?«
    »Nein, Rasmus ist hier bei mir. Er schläft.«
    »Ja, ich schlafe«, sagte ein zartes Stimmchen aus der Dunkelheit.
    »Ach so, du bist wach«, wunderte sich Eva-Lotte.
    »Da soll man wohl aufwachen, wenn Leute so laut schmat-zend Butterbrote essen.« Er kam leise zu Eva-Lotte und kletterte auf ihre Knie. »Sind da wirklich Kalle und Anders gekommen?« fragte er begeistert. »Wollt ihr kämpfen? Darf ich nicht auch eine Weiße Rose werden?«
    »Das kommt darauf an, ob du schweigen kannst«, sagte Kalle mit tiefer Stimme. »Du darfst
vielleicht
eine Weiße Rose werden, wenn du versprichst, niemand zu erzählen, daß du Anders und mich gesehen hast.«
    »Mache ich«, sagte Rasmus bereitwillig.
    »Du darfst mit keinem Wort gegen Nicke oder irgendeinen anderen erwähnen, daß wir hier gewesen sind. Verstehst du das?«
    »Warum eigentlich? Kann Nicke euch nicht leiden?«
    »Nicke weiß doch nicht, daß wir hier sind«, sagte Anders.
    »Und er darf es niemals wissen. Nicke ist ein Kidnapper, verstehst du?«
    »Sind Kidnapper nicht nett?« fragte Rasmus.
    »Nein«, sagte Eva-Lotte.
    »
Ich
finde, sie sind nett«, versicherte Rasmus. »Ich finde, Nicke ist sooo nett. Warum dürfen Kidnapper keine Geheimnisse erfahren?«
    »Weil sie das nicht
dürfen
«, sagte Kalle kurz. »Und du darfst nie eine Weiße Rose werden, wenn du nicht schweigen kannst.«
    »Ja, ja, das kann ich«, rief Rasmus eifrig. Er war bereit, bis an das Ende seines Lebens zu schweigen, wenn er eine Weiße Rose werden durfte.
    Schwere Schritte kamen auf das Haus zu, und Eva-Lottes Herz schlug vor Schreck einen kleinen Purzelbaum.
    »Verschwindet!« flüsterte sie. »Beeilt euch! Nicke kommt.«
    Einen Augenblick später drehte sich der Schlüssel im Schloß.
    Der Schein einer Taschenlampe erhellte das Zimmer, und Nik-ke fragte mißtrauisch: »Mit wem sprichst du?«
    »Dreimal darfst du raten«, sagte Eva-Lotte. »Hier sitzen Rasmus und ich und dann ich und Rasmus. Mit mir selbst pflege ich nicht zu sprechen. Nun rate, mit wem habe ich wohl gesprochen?«
    »Aber du bist ein Kidnapper, und Kidnapper dürfen niemals Geheimnisse erfahren«, sagte Rasmus voller Mitleid.
    »Nee du, hör du mal«, sagte Nicke und machte einen heftigen, schnellen Schritt auf Rasmus zu. »Fängst du auch schon an, mich Kidnapper zu schimpfen?«
    Rasmus nahm Nickes große Hand und sah vertrauensvoll auf in das wütende Gesicht.
    »Ja, aber ich finde doch, daß Kidnapper nett sind«, beteuerte er. »Ich finde, du bist sehr, sehr nett, kleiner Nicke!«
    Nicke murmelte etwas Unverständliches und wollte gehen.
    Da hielt Eva- Lotte ihn zurück. »Ist das Absicht, daß man hier in diesem Hause zu Tode gehungert werden soll?« fragte sie laut. »Warum bekommt man hier kein Nachtessen?«
    Nicke drehte sich um und sah Eva-Lotte aufrichtig erstaunt an. »Deine armen Eltern«, sagte er schließlich. »Die müssen ja Millionäre sein, um dich satt zu kriegen.«
    Eva-Lotte grinste. »An Appetit fehlt es mir nie«, stellte sie zufrieden fest.
    Nicke sagte nichts. Er hob Rasmus von ihrem Knie und trug ihn zur Bank. »Ich glaube, Häschen, du

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