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Kaltblütig

Titel: Kaltblütig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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wünschenswert. Ob er Dick nun mochte oder nicht (und er mochte Dick durchaus, auch wenn er ihm früher mit mehr Sympathie, größerem Respekt begegnet war), dass sie sich jetzt unmöglich trennen konnten, stand völlig außer Frage. In diesem Punkt waren sie sich einig, denn Dick hatte gesagt: »Wenn sie uns schnappen, dann möglichst zusammen. Damit wir uns gegenseitig decken können. Wenn sie diese Scheiß-
    Geständnisnummer abziehen, von wegen du hast gesagt und ich hab gesagt.« Außerdem war es, wenn er mit Dick brach, auch mit den Plänen vorbei, die Perry nach wie vor verlockend fand und die beide, trotz der jüngsten Rückschläge, nach wie vor für realistisch hielten – ein sorgenfreies Leben als Taucher und Schatzjäger auf den Inseln oder an der Küste Mexikos.
    » Mr. Wells!«, sagte Dick und griff nach einer Gabel.
    »Das war die Sache wert. Und wenn ich mich wegen Scheckbetrug einbuchten lasse, das war die Sache wert.
    Nur um wieder in den Bau zu kommen.« Die Gabel sauste nieder und stach in den Tisch. »Mitten ins Herz, Schätzchen.«
    »Das wollte ich damit nicht gesagt haben«, sagte Perry.
    Jetzt, wo ihn Dicks Zorn verschont und sich anderswo entladen hatte, war er zu diesem Zugeständnis gern bereit. »Dazu hat er zu viel Schiss.«
    »Stimmt«, sagte Dick. »Stimmt. Dazu hat er zu viel Schiss.« Es grenzte an ein Wunder, wie mühelos Dick die Stimmung wechseln konnte; seine Bosheit, sein verklemmtes Imponiergehabe war im Handumdrehen vergessen. »Übrigens«, sagte er. »Erklär mir doch mal eins: Wenn dir deine Vorahnung gesagt hat, dass du dich mit der Karre auf die Schnauze legst, warum hast du sie dann nicht einfach stehen lassen? Dann wär’s doch gar nicht erst so weit gekommen – oder?«
    Darüber hatte Perry sich schon oft den Kopf zerbrochen.
    Er glaubte das Rätsel gelöst zu haben, doch die Lösung war nicht nur verblüffend einfach, sondern auch reichlich nebulös: »Nein. Denn wenn etwas passieren soll, kann man nur hoffen, dass es nicht passiert. Oder eben doch – je nachdem. Du lebst in der ständigen Gewissheit, dass dich etwas erwartet, und selbst wenn es was Schlimmes ist und du weißt, dass es was Schlimmes ist – was willst du dagegen machen? Du kannst dich ja wohl schlecht umbringen. Das ist so ähnlich wie mit meinem Traum.
    Seit ich ein kleiner Junge war, habe ich immer wieder denselben Traum. Ich bin in Afrika. Im Dschungel. Ich gehe durch den Wald auf einen einzeln stehenden Baum zu. Und dieser Baum, der stinkt vielleicht; mein Gott, von dem Geruch wird mir ganz schlecht. Dafür ist er wunderschön – er hat blaue Blätter und hängt voller Diamanten.
    Diamanten so groß wie Orangen. Genau darum bin ich hier – um mir einen Sack Diamanten zu pflücken. Aber ich weiß, dass in dem Moment, wo ich die Hand ausstrecke, eine Schlange auf mich herunterfallen wird.
    Die Schlange, die den Baum bewacht. Ein dickes, fettes Vieh, das oben in den Zweigen haust. Das weiß ich alles vorher schon. Ich hab zwar keine Ahnung, wie man sich gegen eine Schlange wehrt. Aber ich sage mir, was soll’s, lassen wir’s drauf ankommen. Denn letztlich ist meine Gier nach Diamanten größer als meine Angst vor der Schlange. Ich greife also nach einem Diamanten, habe den Klunker schon in der Hand und will ihn gerade pflücken, als die Schlange auf mir landet. Wir ringen miteinander, aber das Vieh ist furchtbar glitschig, und ich krieg es nicht zu fassen, es erdrückt mich, und ich höre, wie es mir die Beine bricht. Beim bloßen Gedanken daran, wie es weitergeht, läuft es mir kalt den Rücken runter. Die Schlange fängt an, mich zu verschlingen. Mit den Füßen voran. Ein Gefühl, als ob man in Treibsand versinken würde.« Perry zögerte. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass Dick, der sich mit einer Gabelzinke die Fingernägel säuberte, für seinen Traum nur wenig übrighatte.
    »Und?«, fragte Dick. »Verschlingt dich die Schlange?
    Oder was?«
    »Vergiss es. Das spielt keine Rolle.« (Und ob es eine Rolle spielte! Der Schluss war ihm besonders wichtig, erfüllte ihn mit klammheimlicher Freude. Er hatte ihn einmal seinem Freund Willie-Jay erzählt, hatte ihm den riesenhaften gelben Vogel, »eine Art Papagei«, genau beschrieben. Klar, Willie-Jay war anders – feinsinnig, »ein Heiliger«. Er hatte ihn verstanden. Aber Dick? Dick lachte ihn womöglich aus. Und das hätte Perry nicht ertragen: dass sich jemand über den Papagei lustig machte, der in seinen Träumen das erste

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