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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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aber ich liebe es, einfach nur den Rasen anzugucken. Manchmal zeigen sie die Bilder der Hubschrauber-Kamera. Dann ist die ganze Wand grün und das bekannte Muster aus weißen Linien und Punkten zeichnet sich darauf ab. Mittelkreis, Mittellinie, die Auslinien, die Strafräume, die Fünf-Meter-Räume, die Viertelkreise an den Eckfahnen. Mit jedem Spiel, das ich gesehen habe, wirkt es stärker. Es ist, als würden alle großen Fußball-Momente, die ich je gesehen habe, aus diesem Feld herausstrahlen.
    Wir trinken Flaschenbier. Kein Vergleich mit dem Augustiner aus unserer Zapfanlage, aber heute hätten wir ja dank Adrian und Elvin zu Hause eh auf dem Trockenen gesessen. Ich trinke sowieso nicht viel zu Fußballspielen. Wenn, dann ist es nur, weil der Geschmack dazugehört. Betrunken Fußball zu sehen, nur noch in der Lage, die Tore und die Fouls zu zählen, ist Verschwendung.
    Der Schiedsrichter pfeift an, und die Linien treten in den Hintergrund. Jetzt ist die Zeit der Spieler. Großartig, wenn einem egal ist, wer gewinnt. Natürlich ist jedes gute Fußballspiel Kunst, aber je mehr einem das Ergebnis egal ist, umso besser kann man das erstaunlicherweise wahrnehmen. Tobi und Gonzo leiden und krampfen. Während der eine seinen Körper spannt, sich aufrichtet und seine Arme zum Hochreißen bereitmacht, schrumpft der andere zusammen, und im nächsten Moment ist es umgekehrt. Sie heben und senken sich wie Zylinderkolben eines Zweitakt-Motors. Keiner von ihnen kann den Steilpass, mit dem Trochowski gerade die gesamte Bremer Abwehr geknackt hat, genießen. Gonzo hat Angst, dass ein Tor fällt, und Tobi, dass kein Tor fällt. Nur wir anderen haben die ganze Schönheit dieses Moments erlebt. Als der Ball auf van der Vaarts Fuß ankam, war das keinen Deut weniger groß als eine harmonische Auflösung bei Mozart, aber wenn man bangt, wie es weitergeht, hat man nicht so viel davon. Van der Vaart schießt knapp vorbei. Tobi sinkt wieder herunter, und Gonzo kommt wieder hoch.
    Die erste Halbzeit ist toll. Zur Pause steht es eins zu eins. Wir gehen nach draußen, um etwas frische Luft zu bekommen. Tobi und Gonzo rekapitulieren laut alle Tore, Torchancen, Fouls, Schwalben, fragwürdige Abseitsentscheidungen und worüber man sich noch so streiten kann. Ich könnte den ganzen Abend zuhören.
    Reto kommt die Veteranenstraße herauf.
    »Na, wird auch Zeit.«
    »Die erste Halbzeit hättest du mal lieber nicht verpassen sollen.«
    »Vor allem, wenn du nur Schweizer Fußball gewöhnt bist, harhar.«
    »Irch habe noch ein wenig im Intrchnet nach Wohnungsangeboten fürch uns gesucht.«
    »Und war was dabei?«
    »Nun, irch denke, das Angebot hierch ist hochinteressant, odrch? Es hat fünf Zimmrch, eine große Wohnkürche mit Terrasse und Treppe in den Garchten im Hof und, sehrch wirchtig, zwei Toiletten, beide mit Luftzufurch und Badezimmrch separat.«
    »Und bezahlbar?«
    »Nurch 560 Euro brchutto chralt. Der einzige Hakchren – es hat Ofenheizung.«
    »Hm, könnte man sich schon mal ansehen.«
    »Zentralheizung ist eh nur was für Warmduscher.«
    »Wo liegt die Wohnung denn?«
    »Irch habe das hier ausgedruckt.«
    »Zeig mal… oh, Reto, ich glaube, wir müssen dir was erklären.«
    »Etwas nircht in Ordnung?«
    »Na hör mal, das ist in Reinickendorf.«
    »Ja?«
    »Verstehst du nicht? Reinickendorf!«
    »Aha.«
    »Ich weiß auch nicht, wie soll man das am besten erklären?«
    »Reinickendorf ist ein selbsterklärender Begriff.«
    »Ja, Reinickendorf halt.«
    »Aha.«
    »Also man könnte das Wort Reinickendorf mit da, wo man nicht, wirklich niemals, unter keinen Umständen hinzieht übersetzen.«
    »Oder der Stadtteil, dem man sogar Treptow vorziehen würde.«
    »Oder dort, wo dein sozialer Status an der Höhe deiner Rente gemessen wird.«
    »Oder da, wo die Promis wohnen, die nicht mal mehr ins Dschungelcamp kommen.«
    »Verstehst du? Es ist gefährlich dort.«
    »Aha.«
    »Aber danke für die Mühe. Wir bleiben dran.«
    »Zweite Halbzeit geht los.«
    Wir lassen uns wieder auf die Sitze fallen. Das Spiel ist jetzt nicht mehr so gut wie in der ersten Hälfte, auch wenn Reto von Minute zu Minute mehr der Kiefer herunterfällt. Ich schweife nun doch mit den Gedanken ab. Hat sich was geändert zwischen Amelie und mir? Ich bin doch nicht in Julia verliebt, oder? Das war mehr so… ja, wer weiß. Irgendwie so… Verflixt, können die Fischköpfe nicht einfach ein bisschen besser spielen? Ich will nicht nachdenken… Es war einfach nur was

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