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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Treppe herunter.
    »Und aus solchen Kellern haben die früher ihre Fluchttunnel in den Westen geschippt.«
    »Die kannten wirklich keine Furcht.«
    »He, was ist das?«
    Unglaublich. Inmitten all der schleimigen sporendurchsetzten Wände und verfaulten Lattenverschläge strahlt eine nagelneue Wand mit einer Stahltür heraus.
    »Die war letztes Mal noch nicht da.«
    »Und die Tür ist natürlich zu.«
    »Schon ein dummer Zufall, dass ausgerechnet hinter dieser Tür die Absperrhähne sind, an die man früher jederzeit rankonnte, was?«
    »Tja.«
    »Tobi, das ist dann wohl jetzt deine große Stunde.«
    »Wie, meine große Stunde?«
    Ich ziehe sein Pick-Set aus meiner Tasche und schwenke es vor seiner Nase.
    »Was? Oh nein.«
    »Ist dir das Schloss zu schwierig?«
    »Hey, ich könnte dieses Schloss aufhusten, wenn ich wollte.«
    »Na dann.«
    »Das ist gegen die Hacker-Ehre.«
    »Hallo? Wir werden doch wohl noch nachsehen dürfen, ob uns jemand das Wasser abgedreht hat.«
    »Nein, nicht so.«
    »Wirklich nicht?«
    Ich lasse das Pick-Set lasziv vor seiner Nase hin- und herpendeln und sehe, wie es sich in seinen Pupillen spiegelt. Jetzt einfach nichts sagen und zusehen, wie er weich wird.
    …
    »Tut mir leid, Krach.«
    Er dreht sich um und geht. Unglaublich. Tobi, der Mann, an dem die ideale Universal-Versuchsperson zur Erforschung aller Formen des Suchtverhaltens verlorengegangen ist, beißt nicht an. Dieser Hacker-Ehrenkodex muss stärker wirken als das Über-Ich einer siebzigjährigen Benediktinerinnen-Nonne.
    Natürlich steht wieder Herr Wohlgemuth im Treppenhaus.
    »Herr Krachowitzer und Herr Lüdenscheidt, guten Tag auch. Fangen Sie schon mal an, Ihren völlig überfüllten Mieterkeller zu räumen? Das finde ich sehr gut. Hier unten bleibt nämlich kein Stein auf dem anderen.«
    »Heißt das, dass auch die neue Wand wieder abgerissen wird, die den Zugang zu den Absperrhähnen versperrt?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Ach, nur so.«
    »Haben Sie etwa kein Wasser mehr?«
    Dieses Grinsen.
    »Na ja, sagen wir mal so, es läuft nicht so richtig.«
    »Hm, dann sollten wir mal nachsehen, ob da was nicht stimmt.«
    »Das könnte natürlich nicht schaden, Herr Wohlgemuth.«
    »Nur dumm, dass ich den Schlüssel nicht dabeihabe.«
    »Tja, all die Schlüssel immer.«
    »Konnte ich ja auch nicht ahnen, dass da jemand von meinen Arbeitern dran rumdreht. Wieder mal eins von diesen Missverständnissen.«
    »Blöd gelaufen.«
    »Aber soll ich Ihnen was sagen? In drei Tagen bin ich wieder hier. Da denk ich dann an den Schlüssel. Oder sagen wir, ich bemühe mich, dran zu denken.«
    »Tun Sie das, Herr Wohlgemuth. Wir mindern sonst die Miete. Wenn das Wasser nicht geht, sind das mindestens zehn Prozent.«
    »Zehn Prozent von 364 Euro? Sie machen mir ja richtig Angst, Herr Krachowitzer.«
    »Tschuldigung.«
    »Apropos Angst, glauben Sie wirklich, Ihre Russen-Mutanten könnten mich irgendwie einschüchtern? Da haben Sie sich getäuscht. Wo haben Sie die eigentlich her? Gab es da einen günstigen Pauschaltarif?«
    …
    Was?
    Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich nicht bereits eine Minute im Voraus, auf welche Pointe Herr Wohlgemuth hinauswill. Ich sehe Tobi an. Ihm geht es genauso. Ich muss mir Mühe geben, nicht zu stammeln.
    »Äh, nur damit es keine Missverständnisse gibt, Herr Wohlgemuth, Sie meinen die schwarzen Riesen, die Sie gestern zur Party im Erdgeschoss mitgebracht haben, oder?«
    »Natürlich, Herr Krachowitzer, ich war es, der die Russen mitgebracht hat. Sehr komisch. Mal im Ernst, dieses Niveau der Auseinandersetzung sollten Sie ganz schnell verlassen. Wenn mir diese Herren noch mal über den Weg laufen, krieg ich Sie mit einer fristlosen Kündigung wegen Gewalt gegen den Vermieter dran. Mein Rechtsbeistand hat das Papier schon vorbereitet.«
    Wenn ich eine weiße Fahne hätte, würde ich sie jetzt schwenken, wenn ich Basketballtrainer wäre, würde ich jetzt das Timeout-Zeichen machen, wenn Herr Wohlgemuth ein Computer wäre, würde ich ihn jetzt neu starten. Leider alles keine echten Optionen für den Moment. Ich ringe um Worte.
    »Herr Wohlgemuth, ich glaube, Sie haben es jetzt wirklich geschafft.«
    »Was meinen Sie, Herr Krachowitzer?«
    »Ich weiß nicht mehr, auf welcher Ebene der ironischen Brechung unser Gespräch sich gerade befindet.«
    »Ich versteh Ihr Studentendeutsch nicht.« Er sieht uns scharf an. »Aber ich hoffe, Sie haben mich verstanden. Wenn Sie mir noch mal Schläger auf den Hals schicken, fliegen

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