Kaltduscher
tatsächlich, mit Haut und Haaren in ihn hineinzuschlüpfen.
Ich bin Ernie.: Zwo, drei, vier…
Nach den ersten Takten bin ich so überrascht über meine Stimme, dass ich mich beinahe verhasple, aber ich habe dies Lied so oft gesungen, dass ich mich locker über die kleine Unsicherheit hinwegrette.
Ich bin Ernie.
Ich kann es wirklich. Hätte ich nie gedacht. Caio ist brillant.
»Knack… danke, das reicht.«
Ich höre auf und öffne meine großen neugierigen Ernie-Augen. Der Kopfschmerzmann sieht aus, als hätten ihn die Schmerzen nun endgültig überwältigt. Er hält sich mit beiden Händen die Stirn, und Herr Böltinghausen schüttelt traurig den Kopf. Caio gibt nicht auf. Er redet und redet, obwohl ihn die beiden nicht einmal mehr ansehen. Dann verschwindet er im Laufschritt durch die Tür und taucht im nächsten Moment neben mir auf.
»Okay, ich gebs zu, das war ein dummer Witz von mir. Sie suchen natürlich keine Ernie-Stimme, sondern sie casten Sänger. Für eine Daily Soap rund um eine Band.«
»Was?«
»Sing jetzt noch mal. Aber diesmal bitte wie du selbst, okay?«
»Okay, Caio. Aber wenn wir hier draußen sind, darf ich dich ein klein bisschen umbringen, ja?«
»Selbstverständlich, und jetzt häng dich rein.«
Also, alles wieder auf Anfang. Aber das muss ein guter Schauspieler können. Ohmmm, du bist wieder Oliver Krachowitzer, der Mann ohne Hosen im Schrank, dafür ein begnadeter Anarcho-Breitcore-Interpret und neuerdings Experte für Sex in Umkleidekabinen.
Die ersten Takte sind schon vorbei. Mein Einsatz. So, jetzt mit Überzeugung. Du stehst in der Columbiahalle. 3000 Leute hängen an deinen Lippen und dazu drei Millionen zu Hause an der Live-Übertragung…
Ja. Wunderbar. Ich bin mitten in der Musik. Noch besser als beim Galerie-Gig. Ich liebe meine Band. Wir werden bald durchstarten. Und ich muss Punk-Erwin zum Essen einladen. Er hat mir gezeigt hat, wo es langgeht.
…
So, das war jetzt schon die dritte Strophe. Diesmal kommt kein »Danke, das reicht« aus dem Lautsprecher. Ich glaube, ich kann die Augen jetzt langsam wieder öffnen.
Unglaublich. Der Kopfschmerzmann hat offensichtlich keine Kopfschmerzen mehr. Er liegt sich mit Herrn Böltinghausen lachend in den Armen, und sie hüpfen beide synchron herum wie Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld vor der Trainerbank, wenn der FC Bayern wieder in letzter Minute das alles entscheidende Tor geschossen hat. Caio strahlt und zeigt mir zwei erhobene Daumen. Die anderen Herren kommen allmählich mit ihren Kaffeetassen zurück. Auch ihre Mienen hellen sich schlagartig auf, und alle schließen sich dem Jubelgehüpfe an.
Ich singe das Lied zu Ende und genieße das Schauspiel. Hm, Hauptdarsteller in einer Daily Soap rund um eine Band. Das ist zwar nicht ganz das, was ich mir als Traumziel vorgestellt habe, aber es wird zumindest meinen Bekanntheitsgrad mit einem Schlag von null auf extrem riesig aufpusten. Und zwar meinen Bekanntheitsgrad als Schauspieler und als Musiker. Danach muss ich natürlich schleunigst das Daily-Soap-Darsteller-Image wieder loswerden, aber darüber kann mich mir ja Gedanken machen, wenn es so weit ist. Fürs Erste sollte ich auf jeden Fall nicht meckern. Wie sich das Leben von einem Tag auf den anderen ändern kann.
»Knack… Danke! Danke! Danke, Oliver! Großartig! Sie sehen schon, wir sind alle erleichtert. Sie können sich nicht vorstellen, durch was für eine Hölle wir in den vergangenen Tagen gegangen sind. Wir haben schon gar nicht mehr dran geglaubt, dass wir noch rechtzeitig den Richtigen finden.«
»Danke, freut mich.«
Die Herren brauchen noch ein paar Minuten, um wieder arbeitsfähig zu werden. Schließlich neigt sich der Exkopfschmerzmann wieder zum Mikro.
»Knack… Gut, dann gleich mal weiter im Text. Oliver, wenn Sie so gut sind und im Aufnahmeraum bleiben. Machen Sie es sich bequem. Die anderen können gehen. Danke für Ihre Mühe.«
Die Jungmännerherde tröpfelt wortlos aus dem Raum. Caio zeigt immer noch mit den Daumen nach oben.
»Knack… Oliver, nur um ganz sicherzugehen, wir würden Ihnen jetzt gerne ein Lied vorspielen. Es wird mit das wichtigste in Ihrem Repertoire sein. Sie kennen es vermutlich. Achten Sie auf Melodie und Text. Wir würden es dann nämlich anschließend gerne von Ihnen hören. Aber bleiben Sie entspannt. Keiner hier hat Zweifel, dass Sie es packen.«
»Gut, okay.«
»Sind Sie bereit? Oder möchten Sie noch was trinken vorher?«
»Nein, kann losgehen.«
Das mit dem
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