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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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stinknormalen Jeansfachverkäufer eine stinknormale Jeans verpassen. Ich muss überhaupt meine Kräfte schonen. Die Nacht war, trotz unseres durchschlagenden Erfolgs in der Koksergalerie, äußerst unerholsam. Außerdem rücken die kritischen Termine näher. Heute ist schon Donnerstag. Nur noch vier Tage bis zur Aufnahmeprüfung an der Ernst-Busch und nur noch drei bis zum Doppelgeburtstag, und ich habe immer noch kein Geschenk für meinen Vater. Dafür habe ich einen Dauerpfeifton in den Ohren. Wenn das heute Nachmittag nicht weg ist, geh ich zum Arzt. Schade, dass bei den Scheitelkoksern nichts mehr zu holen wäre, wenn ich sie wegen eines erlittenen Gehörschadens verklagen würde. Die 4000-Watt-Anlage ist seit unseren künstlerischen Eingriffen nicht mehr allzu viel wert.
    Aber das größte Problem ist natürlich wieder Julias neueste SMS, die vor einer Stunde in meinem Handy eingeschlagen ist. Ich starre sie inzwischen bestimmt zum fünfzigsten Mal an.
    es war wirklich nur was sexuelles
    Manno. Bloß wegen diesem blöden Buch. Dabei gehört es mir weder, noch habe ich es gelesen. Und ich werde es auch nicht lesen. Ich lasse es nur unter meiner Matratze. Bis es wieder trocken ist. Braucht sie sich wirklich nicht aufzuregen. Aber hilft ja nichts. Wenn ich noch was retten will, muss ich was antworten. Ich tippe einen Textentwurf nach dem anderen auf mein Handy, aber kann mich zu keinem so recht durchringen…
    morgen wieder was wirklich sexuelles?
    Auf keinen Fall.
    reden?
    Hat sich zwar bewährt, aber seit gestern ist reden ja auch ein Code. Nein, könnte sie in den falschen Hals kriegen…
    schalke 01?
    Hm, nicht schlecht. So quasi als Metapher für Neubeginn… Wenn Lambert jetzt ja sagen würde, würde ich das glatt losschicken, aber ohne ihn fühle ich mich nicht sicher genug. Und das merkt man einer SMS sofort an…
    nein, es war liebe.
    Hey, langsam. Erstens bin ich mir da gar nicht sicher, und zweitens bin ich vor allem erst mal sauer auf sie. Immer dieses Überreagieren. Soll sie doch mal erwachsen werden. Ist doch wahr. Aber daraus krieg ich jetzt auch keinen geeigneten SMS-Text gebastelt…
    Wir haben einfach ein Problem. Unsere Beziehung ist wie einer dieser Lehrtrickfilme, in dem die Erdgeschichte im Superzeitraffer gezeigt wird. Erst ein paar Milliarden Jahre lang nichts und dann plötzlich in drei Sekunden Keule-Rad-Papier-Supercomputer-und-Schluss. Für Liebesgeschichten ist so ein Tempo nicht das Wahre. Da kommt erst mal die Schmachtphase, dann die Missverständnisphase, dann die Verzweiflungsphase und dann schließlich, nach langem dramatischem Endkampf, kommt der Kuss im Sonnenuntergang. Wenn man sich nicht an den vorgeschriebenen Ablauf hält, braucht man sich nicht wundern, wenn alles schiefgeht. Und wenn Julia dann auch noch aus den blödesten Kleinigkeiten heraus Streit anfängt und mir dauernd Amelie über den Weg läuft…
    Klingeling. Anruf. 040-Vorwahl.
    Mist, eigentlich darf hier niemand telefonieren. Ich hab das Handy nur eingeschaltet, weil ich noch schnell die SMS schicken wollte. Aber ich kann das nicht wegdrücken. Das sind die Sesamstraßenjungs aus Hamburg.
    »Hallo?«
    Wenn das jetzt ein Besucher sieht und mich bei Dr. Grobe verpetzt… Ich verstecke mich so gut es geht hinter einer Säule und flüstere nur ganz zart. Zum Glück lohnt sich das Geheimgespräch wenigstens. Nur gute Nachrichten. Die alte Ernie-Stimme fällt weiter aus, und sie wollen das erste Lied mit mir aufnehmen. Juchu! Und dann haben sie sich auch noch ausgerechnet für »Ladidadidam, Ladidadidam, wie heißt denn nur dieses Lied« entschieden. Hurra! Und er hat sich fünfmal entschuldigt, dass der Termin ausgerechnet am Sonntag ist, und war noch zerknirschter, als ich ihm sagte, dass das sogar mein Geburtstag sei. Dabei kann ich mir kaum ein schöneres Geburtstagsgeschenk vorstellen. Muss ich so schnell wie möglich mit dem Üben anfangen…
    So jetzt aber weg mit dem Handy. SMS an Julia muss ich im Kopf entwerfen.
     
    *
     
    Ich mache schon wieder den gleichen Fehler und grüble zu lange. Ich weiß es und mache es trotzdem. Eigentlich hatte ich mir das Ende meines heutigen Museumsdiensts als absolute Deadline für die Antwort-SMS gesetzt, aber der ist jetzt schon seit fünf Minuten vorbei, und zwischen mir und dem Martin-Gropius-Bau liegen bereits mehrere hundert Meter. Selbstgesetzte Deadlines machen einfach nicht genug Druck. Da muss ich andere Saiten aufziehen. Ich setze mich in die pralle Sonne auf ein

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