Kaltduscher
beim ersten Fehler. Der ist bestimmt der Meinung, dass man das gar nicht besser singen kann als die alte Version.
»Ladidadidam, Ladidadidam…«
Als Kind hab ich sowieso immer Angst vor Bert gehabt. Diese fetten Augenbrauen…
»… wie heißt denn nur dieses Liehiiiiiied?«
Und auch noch ausgerechnet an meinem Geburtstag…
»Es geht Ladidadidam, Ladidadidam, Ladidadi und Dam…«
Ich google jetzt erst mal, wer überhaupt Berts Synchronstimme ist. Muss ja schließlich wissen, was da auf mich zukommt. Zum ersten Mal seit dem Wanddurchbruch schalte ich meinen PC an. Arne hat wirklich ganze Arbeit während unserer Party geleistet. So schnell ist der noch nie hochgefahren. Internetverbindung ist auch da. Na also. »Synchronstimme Bert Sesamstraße« und Suchen. Hoffentlich hat der nicht so fiese Augenbrauen… Na bitte, da ist er doch schon. Christian Rode. Die Augenbrauen sind okay. Und auch sonst, irgendwie einfach ein liebenswürdiges Knautschgesicht… aber, weia, der war ja auch schon Synchronstimme für Rock Hudson, Omar Sharif, Michael Caine… und sogar für Dr. McCoy in Star Treck! Meine Knie werden zu Pudding. Hätte ich mal lieber nicht nachgeschaut.
Ich muss üben.
»Ladidadidam, Ladidadi…«
Viel zu trocken mein Hals. Das war der Schreck. Ich muss kurz mal was trinken.
Auf dem Weg in die Küche sehe ich Reto nach Hause kommen. Mit gebügeltem und in die Hose gestecktem blauen Hemd sieht er seriöser aus, als Herr Wohlgemuth es jemals in seinem Leben tun wird. Er grüßt nur kurz und verschwindet in seinem Zimmer. Ich sollte mir wirklich mal ein Beispiel an ihm nehmen. Was auch immer er gerade macht – er zieht es durch. Das sieht man ihm an.
Und ich lasse mich natürlich wieder in der Küche von Vollbart-Lukas und Co. festquatschen und schlage meine Zeit mit Gesprächen tot, bei denen hinterher keiner sagen kann, worum es überhaupt ging, geschweige denn, ob es irgendwelche Einsichten und Erkenntnisse gab, außer dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass Mario Gomez zu den Bayern geht.
NÄÄÄÄT!
Bevor sich einer von uns auch nur rühren kann, ist Reto schon an der Tür. Fast im gleichen Moment ändert sich wieder die Molekülstruktur im Flur und die Zeitrechnung beginnt einmal mehr bei null. Kann solch eine übernatürlich schöne Frau so einen hässlichen Klingelton auslösen? Es muss jemand anderes gewesen sein.
»Chrallo Fiona.«
Bis eben hatte ich noch gedacht, dass niemand an Madeleine herankommen könnte. Aber jetzt Fiona: Entzückende blonde Pferdeschwanzfrisur, weit auseinanderliegende blaue Strahleaugen, eingebettet in einem aristokratisch fein modellierten Gesicht, dazu ihr gertenschlanker Körper in T-Shirt, Rock und Riemchensandalen. Gedicht, Symphonie, Feuerwerk, Weltkulturerbe.
Reto verschwindet mit Fiona in seinem Zimmer, diesmal, ohne uns die Fee vorzustellen. Aber das hätte ich an seiner Stelle auch nicht getan. Nichts gegen Lukas und die Jungs, aber das ist kein Umgang für Fiona. Schon klar.
Langsam kann ich mich wieder bewegen. Nein, die Slapstickfilm-Nummer, dass sich immer einer sein Bier über den Latz kippt, wenn eine schöne Frau reinkommt, hat wirklich nichts mit der Realität zu tun. Definitiv nicht. Wir haben uns vielmehr alle unsere Biere über die Lätze gekippt. Eine sehr seltsame Art der Ehrfurchtsbezeugung, aber die Natur hat es anscheinend so eingerichtet. Nur blöd, dass ich mir damit schon wieder die Hose eingesaut haben. Eine ist vielleicht doch zu wenig für den Alltag.
Die Jungs beginnen zu spekulieren wie gestern Gonzo und ich. Reto und diese Frau? Wie, warum und woher? Und wie lernt man auf die Schnelle den Schweizer Akzent? Erschreckend, wie ihre Gedanken unseren gleichen… Komisch, erst jetzt, wo ich noch mal darüber nachdenke, fällt mir auf einmal ein… ja, sicher. In dem ganzen Chaos hier kann man ja keinen klaren Gedanken fassen. Dabei lag es die ganze Zeit auf der Hand.
»Tschüss Jungs, ich muss mal wieder in mein Zimmer, Rolle üben. Wischt ihr bitte den Boden auf, bevor ihr geht?«
*
Stecherakademie – Frauen verführen und manipulieren
Nur zwei Menschen waren vor mir und Julia in der neuen Toilette: Reto und Francesco. Einer von ihnen muss es dort vergessen haben. Und auch wenn ich nicht behaupten kann, Francescos Sexualleben hundertprozentig zu kennen, spätestens seit Madeleine und Fiona ist ja wohl klar, dass das Buch Reto gehören muss. Unglaublich, was ein paar bedruckte Seiten bewirken können.
Ich ziehe das,
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