Kalte Macht: Thriller (German Edition)
hatte, war dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Wenn also Feldmanns Bank auf das Wohlwollen der Politik angewiesen war, um weiterhin ungestört ihre milliardenschweren Quartalsgewinne einzufahren, so war doch die Politik auch auf das Wohlwollen seiner Bank angewiesen, wollte sie nicht völlig bewegungsunfähig werden.
»Und Sie sind also nun die neue Staatssekretärin im Kanzleramt«, sagte er, als er später am Abend plötzlich vor ihr stand. »Ich gratuliere.«
Natascha neigte keck den Kopf zur Seite. »Danke schön, Herr Dr. Feldmann. Das ist Ihr Ehrentag. Also gratuliere ich Ihnen.«
»Sehr nett von Ihnen.« Mit lässiger Hand griff er sich ein Glas Wein von einem Tablett, das vorbeigetragen wurde. Er senkte die Stimme, ohne sein strahlendes Lächeln zu dimmen. »Ich beobachte Sie ja schon seit einiger Zeit. Wenn Sie mal in die Wirtschaft wechseln wollen, sollten Sie unbedingt zu uns kommen.«
»Ach, Herr Dr. Feldmann, nun machen Sie aber mal halblang …« Es fiel Natascha schwer, einen unbefangenen Blick zu behalten.
»Nein wirklich! Es ist so schwer, Frauen für Führungsaufgaben zu gewinnen. Wenn ich da an die Diskussionen über eine Quote denke, könnte ich laut auflachen. Die wirklich fähigen Frauen gehen in die Politik. Die anderen möchten vielleicht gerne Karriere machen. Aber sie wollen halt alle auch Kinder haben und ein Häuschen im Grünen. Shoppen gehen und ein bisschen Wellness und Beauty. Sie wissen schon. Es heißt nicht umsonst die Utopie.« Er lachte, als habe er einen besonders guten Witz gemacht, während Natascha sich zu erinnern versuchte, warum sie sich seinen Chauvinismus überhaupt antat.
»Nie um einen treffenden Witz verlegen, der gute Jo.« Im Karussell des spätabendlichen Smalltalk-Theaters hatte sich Dr. Frey wieder zu Natascha umgedreht und sah Feldmann hinterher, als wolle er ihn mit seinem Blick unauffällig durchleuchten.
»Das Schlimmste ist, dass er auf eine perfide Weise sogar irgendwie recht hat«, erwiderte Natascha und stürzte ihr Glas hinunter.
»Sind Sie nicht der lebende Beweis für das Gegenteil? Sie haben es doch auch ohne Quote in eine Führungsposition geschafft.«
»Tja, aber ich glaube, dass es gute Gründe gibt, warum mehr Frauen als Männer sich doch lieber für ein Leben mit Kindern und Familie entscheiden. Im Grunde sind wir hier doch alle Sklaven eines unmenschlichen Arbeitsalltags. Jeder von uns gehört dem Job mit Haut und Haaren.«
Frey nickte. »Mit allem, was er hat«, bestätigte er und bedachte Natascha mit diesem spöttischen und zugleich lauernden Blick, der ihr regelmäßig beinahe etwas Angst machte. Da kam ihr ein Gedanke: »Herr Dr. Frey, Sie könnten mir vielleicht helfen.«
»Jederzeit. Was darf ich für Sie tun?«
»Ich habe da eine Handynummer, von der ich nicht weiß, wem sie gehört. Können wir eine solche Nummer zuordnen?«
Freys Augen blitzten auf, und sein Lächeln wurde noch etwas breiter. »Wen möchten Sie denn belauschen?«
»Oh, ich …«
»Ich möchte mich nur verabschieden«, unterbrach der Banker, der Natascha am Anfang des Abends angesprochen hatte, und verbeugte sich leicht. »War mir ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben, Frau Dr. Eusterbeck.«
»Ganz meinerseits«, entgegnete Natascha, die seinen Namen bereits wieder vergessen hatte.
»Also dann.« Der Banker zwinkerte Frey zu. »Man sieht sich.«
Frey nickte lediglich lässig und hob zum Abschied sein Glas. Offenbar kannten sich die beiden doch besser. »Schicken Sie mir eine Mail mit der Nummer«, sagte er, als der Mann verschwunden war. »Dann kümmere ich mich darum.«
Erst als sie am fortgeschrittenen Abend langsam auseinandergingen, raunte ihr David Berg, der sich bereits seinen Mantel übergeworfen hatte und neben ihr in der Tür zum Flur stand, zu: »Aber das mit dem Kuschelentzug stimmt.« Und Natascha hätte schwören können, dass er ihr zuzwinkerte.
*
Dank seiner Beratertätigkeit für die Bundesregierung, die seine persönliche Anwesenheit im Kanzleramt erforderte, konnte Henrik Eusterbeck zumindest die Besucherparkplätze in der Tiefgarage in Anspruch nehmen, sofern einer frei war. Während das sonst abends häufiger der Fall war, herrschte heute qualvoller Platzmangel. Etliche der schweren Wagen des erlesenen Zirkels, der sich oben selbst feierte, hatten es hier heruntergeschafft. Einige hatten ihre Passagiere auch nur abgeladen und würden sie später wieder aufsammeln. Henrik Eusterbeck aber saß, während er auf seine Frau
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