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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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eine Idee gekommen«, erklärte Petra Reber nach einer kleinen Weile. »Stichwort: Sprengel.«
    »Sprengel?«
    »Wenn du eine Adresse weißt, dann kennst du auch die Schule, in die ein bestimmtes Kind vermutlich geht.«
    »Schulsprengel! Das ist eine gute Idee.«
    »Ich schau da morgen mal vorbei.«
    »Danke, Petra. Du bist ein Schatz.«
    »Immer gerne, Chef.«
    *
    Die Lichter der Stadt schienen vor ihren Augen zu tanzen. Es fiel Natascha schwer, sich zu konzentrieren. Vielleicht war eine Erkältung im Anflug. Jedenfalls hatte es sie viel Kraft gekostet, bei dem Empfang in der amerikanischen Botschaft eine einigermaßen gute Figur zu machen. Ihre Rede, die sie natürlich in englischer Sprache gehalten hatte, war ihr nur schwer über die Lippen gekommen, da hatten auch die zwei Martini nicht geholfen, die sie vorab getrunken hatte. Eher im Gegenteil. Sie legte den Kopf zurück und lauschte eine Weile auf den Verkehr, ehe sie sich wieder aufraffte und versuchte, Haltung anzunehmen. »Wie lange arbeiten Sie schon für das Kanzleramt, Herr Bleicher?«
    »Sieben Jahre, Frau Staatssekretärin.« Bleicher behielt den Verkehr immer im Auge, jedes Detail, auch wenn man ihn ansprach, selbst wenn man ihn um Feuer bat – was Natascha nie tat, aber schon erlebt hatte – oder wenn man auf dem Rücksitz die Strumpfhose wechselte, weil die alte eine Laufmasche hatte. Natascha fragte sich, ob er »Frau Staatssekretärin« sagte, um sich die Namen seiner jeweiligen Fahrgäste nicht merken zu müssen. Doch mit dieser Unterstellung hätte sie ihm unrecht getan. Bleicher war ein solider Mitarbeiter. Sie hatte sich schnell an ihn gewöhnt. Und seit den Vorfällen in den ersten Nächten nach ihrer Ernennung zur Staatssekretärin war sie sehr froh, ihn zu haben. Aus den Augenwinkeln sah sie auf seine Hände. An der rechten zeichnete sich deutlich der Streifen ab, den ein Ring hinterließ, wenn man ihn lange getragen hatte und dann abnahm. Es war ihr vor ein paar Tagen aufgefallen, dass es diesen Streifen gab. Offenbar hatte Bleicher sich von seiner Frau getrennt. Vermutlich war es eher so, dass sie sich von ihm getrennt hatte. Und Natascha konnte es verstehen. Bleichers Arbeitszeiten waren Gift für jede gesunde Ehe. Von frühmorgens bis spätnachts, oft bis in die frühen Morgenstunden hinein und manches Mal die ganze Nacht hindurch hatte er seiner Dienstherrin als Schatten zu folgen, schlief häufiger im Wagen als in seinem Bett. Er hatte keine festen Arbeitszeiten und wusste heute nicht, wann er morgen im Einsatz sein würde. Bleicher tat Natascha leid. Doch sie wollte es ihm nicht zeigen, es hätte ihn womöglich gekränkt. Also sagte sie: »Ich bin wirklich froh, dass ich Sie habe, Herr Bleicher. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne Sie machen sollte.«
    Er setzte ein höfliches Lächeln auf. »Danke, Frau Staatssekretärin. Sehr nett, dass Sie das sagen.« Einen Hauch von Bitterkeit in seiner Miene konnte er aber nicht verbergen. Natascha schwieg wieder, lauschte auf das Dröhnen in ihrem Kopf und betrachtete die nächtliche Stadt, die draußen vorbeiglitt wie ein verwackelter Film. Sie hatte nie ein so teures Auto besessen und war nur selten in einem gefahren. Als sie noch in der Staatskanzlei von Mecklenburg gearbeitet hatte, waren es nur wenige hundert Meter zu ihrer damaligen Wohnung gewesen, die war sie meist zu Fuß gegangen. Auf den Dienstwagen hatte sie damals verzichtet. Nach allen Vorkommnissen der letzten Zeit hätte sie das nicht mehr gewagt. Von alledem abgesehen hätte sie in dem Zustand, in dem sie an diesem Abend war, ohnehin nicht mehr Auto fahren können.
    Zur Rechten ragten die nachtschwarzen Gebäude der Museumsinsel neben ihnen auf, zugleich steinerne Zeugen einer glanzvolleren Zeit und architektonische Untote, Wiedergänger eines missverstandenen Denkmalschutzes. Das Licht der Straßenlaternen streute über den diesigen Himmel. Dann tauchten sie in das Gewirr von Mitte ein und bogen nach Norden ab, wo ihre Wohnung lag.
    Als Natascha wenig später aus dem Wagen stieg, fragte Bleicher wie jedes Mal: »Soll ich Sie noch bis zur Tür begleiten?«
    Und Natascha antwortete wie jedes Mal: »Nicht nötig, Herr Bleicher. Danke. Ihnen eine gute Nacht.«
    »Ihnen auch, Frau Staatssekretärin.« Er stieg dann dennoch aus und blieb am Wagen stehen, bis die Haustür hinter ihr zugefallen war. Natascha ging zu Fuß die Treppen hoch, vor Aufzügen hatte sie einen gewissen Respekt. Die Enge behagte ihr nicht. Einmal war sie in

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