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Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund

Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund

Titel: Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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verließ das Hotelzimmer. Sie war froh, den Dienstwagen am Nachmittag noch voll getankt zu haben, denn hier draußen waren Tankstellen, die nachts geöffnet hatten, bestimmt eine Seltenheit. Nach Hamburg standen ihr knapp 100 Kilometer Fahrt bevor. Pia hoffte, dass ihr innerer Aufruhr sie am Einschlafen während der monotonen Fahrt hindern würde.
    Verstohlen und leise verließ sie das Hotel. Ihr Gewissen sagte ihr, dass sie am nächsten Morgen fit sein sollte. Ihr Verstand, dass das, was sie tat, sinnlos und ihrer nicht würdig war. Aber ihr Gefühl diktierte den Weg: Sie wollte wissen, woran sie war.
    Liebte Robert sie noch, oder war alles aus?
    Sein Verhalten in den letzten Tagen sprach eigentlich eine deutliche Sprache. Andererseits hielt Pia ihn für ehrlich genug, ihr zu sagen, wenn er Schluss machen wollte. Möglicherweise gab es eine einleuchtende Erklärung für sein Schweigen, etwas, das mit seiner Arbeit zu tun hatte ...
    Pia stieg in das Auto, dessen eiskalte Sitzpolster ihre Rückenmuskeln in Sekunden verspannen ließen. Sie schaltete die Heizung auf Maximum. Dann drehte sie so lange am Radioknopf herum, bis sie mit Knacken und Rauschen einen lokalen Hamburger Radiosender zu fassen bekam, der die Fahrt mit melancholisch-sehnsüchtigen Klängen untermalte.
    Auf der Autobahn gab sie Vollgas. Es waren nicht mehr viele Verrückte wie sie unterwegs, die rastlos ihren Weg durch die Nacht suchten. Irgendwann erschien vor ihr ein orangefarbener Schein am Himmel, die Reflektion der Großstadtlichter.
    Der Verkehr auf der Straße nahm zu, je näher sie dem Zentrum der Metropole kam. Der Takt der Reize wurde schneller,die Lichter heller. Sie suchte ihren Weg nach Westen, denn Robert hatte eine Wohnung in Eimsbüttel, hoch im fünften Stock gelegen, direkt an einer der Hauptverkehrsadern der Stadt.
    Vor seinem Haus stehend versuchte Pia noch einmal, ihn telefonisch zu erreichen. Erst in seiner Wohnung, wo sich der Anrufbeantworter einschaltete, dann auf dem Handy, das auf die Mobilbox schaltete. Pia unterließ es, irgendwelche Nachrichten zu hinterlassen: Was hätte sie auch sagen sollen?
    Sie stieg aus und ging zur Haustür. Dabei starrte sie immer wieder nach oben, um zu erkennen, ob Licht in den richtigen Fenstern brannte. Es sah alles dunkel aus: Kein Wunder, nachts um halb drei Uhr. Pia fischte Roberts Schlüssel aus ihrer Jackentasche und schloss auf.
    Als sie oben im fünften. Stock vor seiner Wohnungstür stand, schlug ihr Herz wie nach einem 1000-Meter-Lauf. Sie klopfte an und wartete, lauschte, ob sich drinnen etwas regte.
    Als sie nichts hörte, schloss sie auf und trat ein. Die Tatsache, dass zweimal abgeschlossen war, deutete darauf hin, dass wirklich niemand zu Hause war. Bei der Anzahl der vorhandenen Zimmer und der Schlichtheit der Einrichtung dauerte es nur wenige Sekunden, um sicherzugehen.
    Das Bett war ordentlich gemacht, die Küche sauber und aufgeräumt. In der Spüle standen noch eine abgespülte Milchkaffeeschale und ein Aschenbecher. Die Staubschicht auf dem gläsernen Couchtisch im Wohnzimmer und dem schwarzen Fernseher deutete bei Roberts Sauberkeitswahn auf eine längere Abwesenheit hin.
    Pia gefiel ganz und gar nicht, was sie sah. Vielleicht war Robert etwas passiert. Sein Job war nicht ungefährlich. Außerdem fuhr er gern schnell und rasant Auto. Andererseits hätte sie es gehört, wenn einem Kollegen in Hamburg etwas Gravierendes zugestoßen wäre, dafür wurde zu viel geredet.
    Vollends zerstört wurde der Gedanke an einen Unfall, als Pia auf seinen Schreibtisch blickte.
    Dort hatte er seit einiger Zeit ein Foto von ihr am Fuß der Halogenleuchte befestigt gehabt. Pia stand einen Augenblick vor dem Schreibtisch und nahm das Bild in sich auf. Alles war an seinem Platz: die Lederauflage, der chromfarbene Stifthalter, der metallene Korb für die Post, die Lampe ... nur das Foto fehlte. Wäre Robert nicht so ein zwanghaft ordentlicher Mensch, man hätte das für ein Versehen halten können. Pia gab sich jedoch keiner Illusion hin: Wenn er ihr Foto entfernt hatte, dann um es vor jemandem zu verbergen, und dieser jemand war eine andere Frau. Das Foto war ein Schnappschuss gewesen, aufgenommen bei einem Segeltörn mit Freunden. Robert hatte das Foto an die Leuchte geklipst, weil es eines der wenigen Bilder von Pia war, auf denen sie lächelte.
    Plötzlich fühlte sie sich sehr müde. Sie war umsonst gefahren. Während der Autofahrt hatte die Unsicherheit, ob sie Robert antreffen würde, sie

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