Kalter Schmerz
»Glaubst du, das ist ein Witz?«
»Ach, Mackie, komm …«
Ich seufzte, schielte zu dem Monstrum auf dem Sofa hinüberund versuchte abzuschätzen, was für eine Schweinerei es werden würde, ihn zu köpfen. Er war zu groß, um ihn am Stück in den Wagen zu hieven. Als ob der Gestank von Exkrementen, dazu der von Kupfer und Sperma, nicht schon schlimm genug wäre.
»Der hat den ganzen Tag hier gesessen, oder?«
Mackie nickte. »Er hat noch geschlafen, deshalb bin ich heute Morgen einfach so abgehauen. Ich weiß nicht, wann das passiert ist.«
»Gut, kannst du in die Küche gehen und deine Klamotten in einen Müllsack stecken? Alle.«
Die Leiche war eindeutig schon seit Tagen hier. Wusste der Geier, was wirklich passiert war, ich würde nicht danach fragen, am Arsch. Ich drehte mich um, wollte einfach nur raus.
»Wo willst du hin?«
Ich verzog das Gesicht und öffnete die Haustür. »Hole ein paar Werkzeuge.«
Während ich im Wohnzimmer die sperrigsten Gliedmaßen absägte, stand Mackie nackt und zitternd in der Küche, um zu vermeiden, dass er noch mehr Klamotten mit Körperflüssigkeiten kontaminierte.
Der Großteil des Bodens rund um die Leiche war mit Plastikplanen und Oberbetten aus dem Schlafzimmer ausgelegt, doch ich wusste, dass es Morgen werden würde, bis wir jede Oberfläche mit Chemikalien gereinigt hätten. Jedes Mal, wenn ich die Haut verletzte, sickerte weitere Flüssigkeit heraus, und damit es noch lustiger wurde, hatte Mackie, als der Schock seine volle Wirkung zeigte, mitten in den Flur gekotzt.
Ich wickelte einen Arm in Mülltüten, legte ihn in den Koffer hinter mir und versuchte, mir den Pony aus der Stirn zu pusten.Mir fiel auf, dass an der linken Hand der Leiche ein Ehering zugeschwollen war.
Ich hatte Rückenschmerzen, weil ich so lange vornübergebeugt gearbeitet hatte, und schwitzte zudem unerträglich unter dem durchsichtigen Plastikponcho.
»He, Mackie!«, rief ich und hockte mich auf die Fersen, um gründlich durchzuatmen. Ich betrachtete einen der Stilettos. Der Fuß war so stark geschwollen, dass ich den Schuh nicht abziehen konnte. »Du willst die Schuhe doch nicht etwa behalten, oder?«
Schweigen.
Ich bedauerte meinen Scherz. »Hattet ihr richtig was miteinander?«
»Verarsch mich nicht!«, schrie er zurück, Angst und Schmach in der Stimme.
»Tu ich doch gar nicht! Ich wollte nur … mich unterhalten.« Ich legte die Säge beiseite und stützte mich auf die Ellenbogen, richtete mich aber wieder auf, weil meine Muskeln sich beschwerten. »Ich verarsche dich gar nicht, so was kann jedem mal passieren. Ich habe schon alles gesehen, ich könnte dir Geschichten erzählen …«
Es folgte Schweigen, und ich erwartete, dass er es brach. Ich hatte ein Bild von Mackie vor Augen, der einen Moralischen bekommt und aus dem Haus läuft, um sich den Bullen zu stellen, deshalb rief ich: »Noch da, Mackie?«
Schweigen.
»Mach keinen Scheiß, Alter.«
»Ich bin hier.«
Ich entspannte mich wieder und betrachtete die versauten Bettlaken und den Kopf des Mannes, dessen Mund immer noch weit geöffnet von innen am Plastik klebte. Er hing kraftlos wie ein kaputter Liegestuhl an einem armlosen Rumpf. Ich war froh,dass Mackie in der Küche war; ich musste mich jetzt nicht unbedingt mit den Augen eines anderen sehen.
»Wir haben hin und wieder zusammen gearbeitet«, sagte Mackie von der Küche aus. »Wenn es nur ums Blasen geht oder so, dann ist es ja nicht so, als wäre man richtig … du weißt schon …«
»Schwul?«
»Psst! Bist du verrückt, Mann?«
Ich schnaubte verächtlich. »Du wohnst in einem freistehenden Haus, reg dich ab.«
»Ist trotzdem nicht dasselbe.«
»Blasen oder so mit einem Typen, das ist schwul. Oder bi-curious oder was auch immer …«
»Bi- curious? Was bist du, die letzte scheiß Nummer der scheiß Cosmopolitan ?«
»Die letzte scheiß Nummer hier hast du geschoben. Und jetzt guck genau hin, ich bin hier, heute, und mache hinter dir sauber.« Ich griff wieder zur Säge. »Du bleibst hier, während ich das Auto rausfahre, ja? Weiß irgendjemand, dass er hier ist?«
»Nein, für wie blöd hältst du mich?«
Die Frage hing eine Weile in der Luft. Ich kniete mich wieder hin und versuchte erneut, den Gestank zu ignorieren.
Aus der Küche kam ein Schniefen, ein Würgen, ein ersticktes Seufzen. Die Geräusche wogen schwer in der Stille, und ich hustete in der Hoffnung, damit die gedrückte Stimmung zu vertreiben.
Der Mann hatte eine Tätowierung auf dem
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