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Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)

Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Quentin Bates
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der Spüle und zog vorsichtig die Muttern fest, mit denen er den neuen Wasserhahn befestigt hatte. Als er wieder auftauchte, saß sie am Tisch, auf dem jetzt zwei Kaffeebecher standen.
    »Ich bin fast fertig«, erklärte er. Sie nickte, während er in seinem Werkzeugkoffer nach einer Tube Silikon suchte.
    »Ich dichte die Spüle noch mit Silikon ab. Wenn Wasser in die Arbeitsplatte eindringt, quillt sie auf und fault.«
    Jón streckte sich, nachdem er eine Stunde unter der Spüle gekauert hatte. Sein Telefon meldete sich wieder.
    »Ja?«
    »Jón?«, fragte eine Männerstimme. »Hier spricht Hrannar Antonsson von der Bank.«
    Sofort bedauerte Jón es, den Anruf angenommen zu haben. Eine unbekannte Nummer auf dem Display bedeutete normalerweise Schwierigkeiten.
    »Ja, was willst du jetzt schon wieder?«, fragte er und fürchtete sich vor der Antwort. Ihm fiel auf, dass die Frau am Tisch sich die Haare gekämmt hatte und statt des formlosen Sweatshirts jetzt eine Bluse trug, die nichts verbarg.
    »Du solltest wirklich vorbeikommen, damit wir deine Finanzangelegenheiten noch mal durchgehen können«, plapperte sein Kundenbetreuer. »Natürlich wissen wir, dass die Lage derzeit für niemanden einfach ist, aber es gibt einige Dinge, die geregelt werden müssen.«
    Geregelt? , dachte Jón. Nennt man das so?
    »Gut«, seufzte er. »Wann?«
    »Nun, wir wollen dich nicht drängen, aber allmählich eilt es, und wir versuchen jetzt schon seit einigen Tagen, dich zu erreichen …«
    »Also drängt ihr mich doch …«
    »Naja … Äh, nein. Ich will dich nicht drängen, aber wir wollen eine Einigung erzielen, die für beide Seiten annehmbar ist. Dann können wir –«
    »Heute Nachmittag?«, fiel Jón ihm ins Wort. »Ich kann in ungefähr einer Stunde da sein.«
    »Äh nun …«, sagte Hrannar verblüfft. »Wie wäre es denn mit morgen?«
    »Entweder heute oder nächste Woche«, antwortete Jón. Verärgerung stieg in ihm auf, als er sich den jungen Mann hinter seinem Schreibtisch in der Bank vorstellte. Die Frau starrte ihn ausdruckslos an, während sie lauschte.
    »Mein Terminkalender für heute ist bereits voll, und es gibt kein Zeitfenster mehr für weitere Termine«, protestierte sein Kundenberater.
    »Hör mal, Kumpel. Ich arbeite gerade und habe keine Zeit zu verschwenden. Heute oder nächste Woche.«
    »Dann würde ich Dienstag sagen. Wie wäre es mit fünfzehn Uhr zwanzig? Passt dir das?«
    »Nein. Wann macht die Bank auf?«
    »Wir sind ab halb zehn hier.«
    »Dann komme ich um halb zehn. Ich werde nicht irgendwo mitten am Tag zusammenpacken und in die Stadt kommen, nur um noch mehr schlechte Neuigkeiten zu erfahren.«
    »Ich könnte dir einen Termin um neun Uhr fünfzig anbieten«, gab Hrannar zurück. Seiner Stimme war die Verärgerung jetzt deutlich anzuhören. »Ich muss schon sagen, du könntest … ein wenig entgegenkommender könntest du schon sein …«
    »Ich bin da, wenn die Bank öffnet«, unterbrach Jón ihn und beendete das Gespräch, ohne eine Antwort abzuwarten. Das Handy warf er in den offenen Werkzeugkoffer.
    »Diese Mistkerle …«
    »Bist du fertig?«, fragte die Frau.
    »So gut wie. Ich muss nur noch aufräumen«, erwiderte Jón, betätigte den neuen Wasserhahn und sah zu, wie das Wasser in die Spüle strömte. Dann drehte er den Hahn wieder zu und räumte sein Werkzeug in den Werkzeugkasten.
    »Dein Kaffee steht auf dem Tisch«, erinnerte die Frau ihn sanft und lächelte zum ersten Mal.
    »Danke«, sagte Jón, setzte sich und trank einen Schluck Kaffee. »Der Kaffee ist gut. Wohnst du schon lange hier?«
    »Seit fast einem Jahr. Die Wohnung ist zu klein für uns, aber eine größere kann ich mir nicht leisten.«
    »Wie viele Kinder hast du?«
    »Drei. Sie sind alle unter fünf.« Sie seufzte. »Wie viel bin ich dir schuldig?«
    »Fünfzehntausend bar auf die Hand. Eine Arbeitsstunde, und ich berechne dir nur fünftausend für die Mischbatterie samt Wasserhahn, weil ich sie von einem anderen Auftrag übrig habe. Wie hört sich das an?«
    »Großartig. Aber, äh …« Sie blickte auf den Tisch und beugte sich vor, sodass er einen guten Einblick in ihren Ausschnitt hatte. »Die Sache ist die, ich habe momentan keine fünfzehntausend. Ich habe den Unterhalt noch nicht bekommen, die Kinder brauchten Schuhe, und ich bin ein wenig knapp bei Kasse.«
    Verdammt noch mal, noch jemand. Die Ärmste, dachte Jón. Er sah ihr bewusst ins Gesicht, nicht in den Ausschnitt, und betrachtete ihr schüchternes Lächeln.

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