Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
der seine Opfer foltert und vergewaltigt, bevor er sie umbringt«, sagte Lucas. »Falls es einen Hinweis gibt, dass er Rice hier bei Ihnen getroffen hat, im Zusammenhang mit den Mädchen, werden diese Mädchen von sich aus ein Interesse daran haben, dass er gefasst wird.«
Carl seufzte, faltete die Hände über dem Bauch und sagte dann: »Er wollte immer Dove haben, eine Blondine. Wenn sie beschäftigt war, gab er sich auch mit einem der anderen Mädchen zufrieden. Aber zuerst hat er immer nach Dove gefragt.«
»Okay, aber auch andere kamen in Frage?«
»Ja«, bestätigte Carl. »Die Mädchen haben Zimmer im Motel nebenan. Rice ließ sich einen blasen, kam danach zurück, heulte wieder ein bisschen, trank noch ein Bier und fuhr dann nach Hause.«
»Wie oft?«, fragte Sloan.
»Ungefähr zweimal die Woche«, antwortete Carl.
»Wie viel?«
»Fürs Blasen? Fünfzig mit Gummi, ohne siebzig. Die zwanzig Dollar sind so was wie eine Aidsversicherung.«
»Eine gute Idee«, schnaubte Sloan. »Es gibt schließlich keine reguläre Aidsversicherung …«
»Hey, ich habe nichts damit zu tun - die Mädchen arbeiten nicht für mich«, protestierte Carl. »Sie kommen als Gäste zu mir in die Bar, was soll ich da machen? Ich bin kein Cop. Ich bin auch nicht ihr Beschützer. Sie gehen ihren Geschäften nicht auf meinem Grundstück nach, und ein paar von den Jungs sind … gern mit den Mädchen beisammen.«
Lucas: »Ihre Namen sind Dove und …?«
»Andi und Aix. Der zweite Name wird »Ex« gesprochen, aber A-I-X geschrieben, wie das Mädchen sofort jedem erklärt, der sie nach dem Namen fragt. Sie behauptet, sie könnte Französisch, weil sie mit einem Freund mal in Frankreich war. Es gab da noch ein paar andere Mädchen, aber die sind weggezogen, ich weiß nicht, wohin. Diese Mädchen kommen und gehen …«
»Dove ist aber noch hier?«
»Ja, müsste nebenan anzutreffen sein, es sei denn, sie ist weg zum Shoppen.« Er sah auf die Uhr. »Morgens gehen sie oft zur Mall of America, aber um zwei sind sie meistens zurück - manche Jungs haben dann schon Feierabend und kommen zu einem Nachmittags-Quickie vorbei. Nun ja, jedenfalls noch vor dem Abendessen.«
»Ich würd mir auch nicht gern auf vollen Magen einen blasen lassen«, sagte Sloan verständnisvoll.
»Welche Zimmer?«, fragte Lucas.
»Normalerweise dreiundzwanzig, fünfundzwanzig und siebenundzwanzig, am Ende des Flurs. Nahe genug, dass Hilferufe gehört werden können.«
»Hat tatsächlich mal eine von ihnen um Hilfe gerufen?«, fragte Sloan.
»Bis jetzt noch nicht, aber wer weiß?«
»Wir kommen wahrscheinlich noch mal zurück und unterhalten uns noch ein bisschen mit Ihnen«, sagte Lucas und stand auf. »Kein Anruf bei den Mädchen, klar?«
Der Parkplatz des »Y’All Duck Inn« war von dem des Rockyards durch einen Grasstreifen getrennt. Das Motel bestand aus einem schäbigen einstöckigen Gebäude; zwei lange Reihen graugrüner Türen mit je einem kleinen Fenster daneben waren zum Highway hin ausgerichtet. Der Parkplatz war gekiest, die Treppen und der Verbindungsweg vor den Zimmertüren waren aus Beton und nicht überdacht: ein Fünfzehn-Dollar-die-Nacht-Motel, das als Notunterkunft von Truckern und Gästen des Rockyard, die zu betrunken zur Heimfahrt waren, benutzt wurde.
Sie machten sich nicht die Mühe, sich am Empfang zu melden, sondern gingen die Treppe hoch und dann den Flur hinunter, bis sie zum Zimmer dreiundzwanzig kamen. Sie klopften und hatten Glück: Dove öffnete die Tür.
In einer schummrigen Bar sieht sie wahrscheinlich recht gut aus, dachte Lucas. Tagsüber jedoch, im Hellen, war das nicht so: um die zwanzig, teigiges Gesicht, das das Licht zu scheuen schien, Hüften, die bereits Fett ansetzten. Sie trug ein rückenfreies gelbes Oberteil, weiße Shorts, Schuhe mit zehn Zentimeter hohen Plateausohlen und zu viel Make-up und kaute Kaugummi.
Ihr Blick fiel zunächst nur auf Lucas, und sie runzelte die Stirn. »Heh, Sie sind doch kein …« Dann sah sie auch Sloan und rief: »Mein Gott, verhaften Sie mich nicht! Meine Mutter weiß nicht, was ich hier mache!«
»Oh, Ihre Mutter …«, sagte Sloan.
Lucas trat auf sie zu, und sie wich zurück ins Zimmer,
und Lucas folgte ihr. Sloan schloss sich den beiden an und drückte hinter sich die Tür ins Schloss. Eine Soap lief im Fernseher. Ein pelziges Elchstofftier mit krummem Samtgeweih stand auf dem Gerät. Lucas fand die Fernbedienung, drückte auf einen Knopf, und Bild und Ton erstarben.
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