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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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herumzustehen und Fachgespräche anzuhören, das war beim
letzten Mal nur zu klar gewesen. »Nein«, sagte er deshalb. »Überprüfen
Sie lieber das Konto der Wohnungsbaugesellschaft, auf das die Miete
gezahlt wird. Ich möchte wissen, wer das Geld ausgibt. Ich rufe einen
Wagen vom Polizeirevier, der mich abholt.«
    Dan, der Obduktionsassistent, ließ ihn ein, als er klingelte.
Lapslie schritt zügig durch die Doppeltüren, begierig zu erfahren, was
Dr. Catherall herausgefunden hatte.
    Die Tische in der Leichenhalle waren leer. Dr. Catherall stand
neben einem kleinen Sterilisator und blätterte ein Bündel rosafarbener
Papiere durch. Ihr polioverkrümmter Körper wirkte zwergenhaft gegen das
Ausmaß der Tische, der Schränke an den Wänden und den Rohren der
Klimaanlage an der Decke. Der allgegenwärtige Hintergrundgeruch, fäkal
und widerwärtig, schnürte ihm die Kehle zusammen. Er bezwang seine
Reaktion. Wie hatte sie sich bloß daran gewöhnen können?
    »Doktor Catherall?«
    Sie blickte von den Papieren auf, in denen sie las. Er hatte
vergessen, wie sanft und blau ihre Augen waren. »Ah, Detective Chief
Inspector.«
    »Mark.«
    »Also gut, Mark.«
    »Sie haben mir eine SMS geschickt.«
    »Hab ich. Grauenhafte Sache, diese SMS. Verleiten zu
nachlässigem Ausdruck und unpräzisem Denken. Immerhin sind sie zu
nützlich, um darauf zu verzichten.«
    Ungeduldig durchbrach er den Strom ihrer Gedanken. »Was haben
Sie noch herausgefunden?«
    »Sie werden sich erinnern«, begann sie und legte die Papiere
auf einem Schränkchen ab, »dass der Leichnam einer langsamen,
sauerstoffarmen Verwesung ausgesetzt war, außerdem gewissen tierischen
Aktivitäten. Das hat die Untersuchung, gelinde gesagt, problematisch
gemacht. Immerhin gab es keine direkten Anzeichen für einen
Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder für Unterkühlung, soweit ich das
beurteilen kann. Angesichts der Tatsache, dass der Leichnam mitten im
Wald in einem flachen Grab gefunden wurde, ohne ein sichtbares
Transportmittel weit und breit, fest eingewickelt in Plastikfolie und
mit fehlenden Fingern an der rechten Hand, abgetrennt durch zwei
scharfe, einander gegenüberstehende Klingen – wie die
Knochenschere eines Küchenchefs –, neige ich dazu, natürliche
Ursachen auszuschließen.«
    Sie lächelte. Lapslie seufzte leise vor sich hin. Gott schütze
ihn vor Pathologen, die gerne Vorträge hielten. »Also, abgesehen von
der Verletzung an der Rückseite des Schädels, die durch den Autounfall
entstanden sein kann, der den Leichnam ans Licht befördert hat, gibt es
keine Anzeichen von Gewalteinwirkungen vor dem Tod – keine
Frakturen, keine Stichwunden, nichts, was einen plötzlichen Kollaps
erklären würde.«
    »Doktor, Sie haben die letzten paar Minuten damit zugebracht,
alles Mögliche aufzulisten, das sie nicht getötet
hat, mit Ausnahme eines zufälligen Meteoriteneinschlags oder eines
Angriffs durch Krokodile. Wenn ich nicht bald erfahre, was es denn nun
wirklich war, dann schnalle ich Sie auf einem dieser freien Tische fest
und malträtiere Sie mit Ihren eigenen Instrumenten, bis Sie es mir
sagen.«
    Sie hatte genug Humor, um zu lachen. »Also gut. Sie werden
sich erinnern, dass wir die Kadaver etlicher kleiner Tiere
zusammengerollt in ihrem Brustkorb gefunden haben. Das hat mich ins
Grübeln gebracht. Woran konnten die gestorben sein, und zwar so
schnell, dass sie nicht fliehen konnten? Um auf den Punkt zu kommen,
ich habe den Mageninhalt der armen Dame – wenigstens das, was
davon noch übrig war – auf Toxine untersucht. Und ich habe
welche gefunden.«
    »Gift!« Das war das Letzte, was Lapslie
erwartet hatte.
    »Allerdings. Um präziser zu sein, ihre Magenwand, ihre Leber
und ihre Nieren waren mit Kolchizin durchtränkt, einer Droge, die in
kleiner Dosierung zur Behandlung von Gicht eingesetzt wird.«
    Lapslie schüttelte langsam den Kopf. »Dann hat sie also selbst
versehentlich ihre Medikamente überdosiert? Mitten im Wald?«
    »Ich habe keine Ahnung, wie sie in den Wald gekommen ist«,
erwiderte Dr. Catherall nicht ohne Schärfe. »Aber bestimmt hat nicht
sie ihre Medikamente überdosiert. Erstens litt sie gar nicht an Gicht,
ebenso wenig gab es irgendwelche Anzeichen, dass das je der Fall war.
Zweitens bezeugt ihr Mageninhalt, dass das Gift nicht in Form von
Tabletten verabreicht wurde, wie es bei Kolchizin am häufigsten der
Fall ist, sondern – ich kann es nicht anders
beschreiben – im Rohzustand.«
    Lapslie kam sich allmählich

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