Kaltgestellt
nichtige Dinge, wie sie konnte. Dabei wußte sie es sehr zu schätzen, daß der Amerikaner sie nicht darüber ausfragte, was zur Zeit in London los war. Schließlich sagte sie, daß sie jetzt wieder zurückfahren müsse, und verabschiedete sich.
»Das Haus hier ist wie eine Festung«, bemerkte Dillon, als er Paula zur Tür begleitete.
»Tweed versteht sein Geschäft, das kann man nicht anders sagen, und Newman und Marler auch. Ich habe hier schon einige geradezu diabolische Verteidigungsmaßnahmen entdeckt.« Paula kam nicht mehr dazu, ihn zu fragen, was er damit genau meinte. Auf der Rückfahrt drehte sie die Heizung des Wagens voll auf und dachte nach. Dabei sah sie sich immer wieder nach dem Hubschrauber um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Das, was Dillon ihr über den Zeitzünder gesagt hatte, wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Bisher hatte sie es nicht glauben wollen, daß Washington tatsächlich hinter einem solchen Anschlag stecken konnte, aber jetzt kamen ihr Zweifel. Sie dachte auch an Dillons Einschätzung von Jake Ronstadt. Einige wichtige Puzzlesteine begannen langsam zusammenzupassen.
14
Als Paula wieder im Büro in der Park Crescent ankam, fand sie dort einen Mann in halb geschocktem Zustand vor, von dem sie es am wenigsten erwartet hätte. »Ein Brief aus dem Jenseits«, sagte Marler, der stocksteif an die Wand gelehnt stand und nicht einmal eine Zigarette im Mund hatte. Bereits beim Betreten des Büros hatte Paula gemerkt, daß hier eine merkwürdige Atmosphäre herrschte. Monicas Gesicht sah wie erstarrt aus, Newman saß kerzengerade in einem der Sessel, und Tweed hatte die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet und zeigte keine Regung. Vor Marlers seltsamen Worten hatte niemand etwas zu ihr gesagt. Jetzt ging Marler langsam auf Paula zu. Mit aschfahlem Gesicht reichte er ihr wortlos einen Umschlag und kehrte dann wieder in seine Ecke zurück. Paula, die mit dem Mantel über dem Arm mitten im Raum stand, betrachtete den Umschlag. Er war in London abgestempelt worden und trug in einer fremdartig wirkenden Handschrift die Worte ›Mr. Marler, c/o General & Cumbria Assurance‹, gefolgt von der Adresse. Vorsichtig öffnete Paula den Brief und entnahm ihm ein gefaltetes Blatt Papier. Es war in derselben Handschrift verfaßt wie die Adresse auf dem Umschlag. Lieber Marler, geben Sie auf die Lastkähne Acht. Sie müssen die Druckerpressen ausfindig machen. Ihr Kurt Schwarz. Paula blickte die anderen der Reihe nach an, dann steckte sie den Brief wieder in den Umschlag und gab ihn Marler zurück. Nachdem sie Mantel und Handschuhe abgelegt hatte, ließ sie sich in ihren Drehstuhl sinken. Sie hatte Angst, etwas Falsches zu sagen, und war erleichtert, daß Newman das Wort ergriff. »Dieser Brief hat Marler natürlich.« Er wollte »geschockt« sagen, dachte aber, daß das sein Kollege nicht so gern hören würde, und entschied sich für ein anderes Wort: ». beunruhigt. Mir geht es zwar ganz genauso, aber Marler hat Kurt immerhin seit vielen Jahren gekannt. Die beiden waren Freunde, die einander unbedingtes Vertrauen entgegenbrachten.«
»Das ist eine weitere Kugel für das Phantom«, sagte Marler in derselben monotonen Stimme wie zuvor. »Wir machen uns beide Vorwürfe, daß wir ihn einfach haben liegen lassen«, sagte Newman.
»Was hätten Sie denn sonst tun sollen?«, fragte Paula ruhig. »Mir tut es auch sehr Leid um Kurt«, fuhr sie fort und spürte, wie ihre Augen feucht wurden. »Er war ein freundlicher, charmanter Mann, den ich auf Anhieb sympathisch fand. Er war so fröhlich, so voller Humor. Es ist eine schreckliche Vorstellung, daß er.« Sie brachte den Satz nicht zu Ende. »Ich werde jetzt gehen«, sagte Marler, der sich wieder etwas gefangen zu haben schien.
»Ich muss in die Badewanne und mich für meine Verabredung mit Denise Chatel umziehen. Bis dann.« Tweed wartete, bis Marler das Büro verlassen hatte, bevor er wie beiläufig zu sprechen begann. Offenbar wollte er den anderen den Eindruck vermitteln, daß er nun wieder zum ganz normalen Tagesgeschäft überging.
»Möglicherweise hat Kurt uns in seinem Brief eine wichtige Information gegeben, deren wahre Bedeutung wir jetzt noch nicht erkennen können. Ich kann Marlers Reaktion voll und ganz verstehen. Ihm ist klar geworden, daß Kurt den Brief nur deshalb geschrieben hat, weil er mit seiner baldigen Ermordung rechnete.«
»Die Lastkähne«, sagte Paula nachdenklich. »Ob er damit wohl die Lastkähne auf der Themse gemeint
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