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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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die flaumleichten Gardinen ließen das Besprechungszimmer wirken wie einen Raum einer internationalen Ölgesellschaft und nicht wie den eines öffentlichen norwegischen Krankenhauses.
    Die schöne Umgebung schien aber Sara Zuckermans Laune nicht zu beeinflussen, dachte Ola Farmen, als er sich mit gemurmelten Entschuldigungen in den Sessel bei der Tür setzte. Sie schaute nur kurz auf, ließ ihren Blick demonstrativ zur Wanduhr wandern und vertiefte sich dann in ihre Unterlagen.
    Der Vortrag dieses Morgens hatte gerade begonnen. PJlerin Jenny Kragh sprach über die Behandlung von COPD. Nach nur drei Minuten fragte sich Ola Farmen, ob er es überhaupt über sich bringen würde, die ganze Zeit hier herumzusitzen. COPD war ja ohnehin schon eine langweilige Krankheit. Vor allem für die Betroffenen, aber Jenny Kraghs stotternder Vortrag brachte Ola dazu, sich zum Morgenchaos mit fünf trotzigen Kindern zurückzuwünschen.
    Der wachhabende Assistenzarzt Petter Bråten las unter dem Tisch eine Zeitung und versuchte nicht einmal, beim Umblättern ein Rascheln zu vermeiden. Sara Zuckerman hatte noch nicht von ihren Papieren aufgeschaut, die eindeutig nichts mit COPD zu tun hatten, und sogar der Klinikchef rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
    »Jetzt hören wir uns noch zwei Minuten etwas über COPD an, Kleine. Dann setzen wir den Schlusspunkt, finde ich.«
    Kaare Benjaminsen kam aus Kirkenes und war der Einzige aus der Chefetage, der es sich leisten konnte, jüngere Ärztinnen als »Kleine« zu titulieren. Dr. Benjaminsen war umgänglich, allgemein respektiert, ein tüchtiger Arzt, und er regte sich nur auf, wenn jemand seinen Nachnamen falsch betonte. Er hieß Benjaminsen mit Betonung auf JA, nicht auf BEN, und niemand hatte diesen Fehler bisher ein zweites Mal gemacht.
    Die beiden Minuten wurden dann aber zu fünf, als Jenny Kragh endlich ihre hilflose Darstellung beendete und sich für die Aufmerksamkeit bedankte.
    Petter Bråten schaltete sofort den Beamer ein und zeigte die Neuaufnahmen des vergangenen Tages im DIPS, dem Computerjournal des Krankenhauses. Ein ganz normaler Krankenhaustag, dachte Ola, als er die Übersicht sah. Ein Börsenmakler mit Verdacht auf Vergiftung durch schwarz gebrannten Fusel, eine Frau von sechsundneunzig Jahren mit Lungenentzündung, ein Abiturient mit Alkoholvergiftung, ein weiterer Abiturient mit dem Verdacht auf Hirnhautentzündung, ein dritter Abiturient, der einfach durchgedreht und von der Polizei abgeholt worden war.
    Ola schärfte sich ein, sich Tarjei noch einmal vorzuknöpfen, ehe die Abiturfeiern vor dem 17. Mai ihren Höhepunkt erreichten.
    »Was ist das mit Erik Berntsen?«, fragte Klinikchef Benjaminsen und starrte Sara Zuckerman an.
    Ola fuhr zusammen. »Was denn?«, rutschte es ihm heraus.
    Sara schloss gelassen den Ordner, der vor ihr lag, nahm die Lesebrille ab, legte sie in ein knallrotes Etui, starrte Dr. Benjaminsen an und antwortete: »Er ist verschwunden.«
    »Verschwunden?«
    »Er ist nicht mehr auf seinem Zimmer. Seine Sachen liegen noch da, also wollte er sich offenbar nicht selbst entlassen. So absurd es auch klingen mag, dass eine Kapazität wie Berntsen gegen den Rat seiner behandelnden Ärzte verstößt, müssen wir diese Möglichkeit natürlich in Betracht ziehen. So, wie die Lage derzeit ist ...«
    Sie verstummte, als Lars Kvamme losprustete.
    »Du lachst?«, sagte sie und starrte ihn an.
    Er verstummte sofort.
    »Warum war der Patient nicht an der Telemetrie?«, fragte er dann.
    »Am ersten Tag ist er überwacht worden«, antwortete sie ruhig. »Da alles gut ging und das Echo nach der Tamponade wieder normale Verhältnisse zeigte, ohne Anzeichen auf Rezidiv, hielt ich es für angebracht ...«
    »Nach dem Patzer, den du dir bei der Implantation geleistet hast, hätte er mindestens zwei Tage an der Telemetrie bleiben müssen«, sagte Lars Kvamme und beugte sich über den Tisch zu ihr vor. »Und dann wäre er auch nicht verschwunden, oder?«
    Sara gab keine Antwort. Noch immer zeigte ihr Gesicht mangelndes Interesse an dem Mann und seinen Reden. Sie ließ seinen Blick trotzdem nicht los.
    Es wurde still. Dr. Benjaminsen verzog ganz unmerklich den einen Mundwinkel, während er mit dem Bleistift auf den Tisch trommelte.
    Er sagte noch immer nichts.
    Sara sagte auch nichts.
    »Es ist ja möglich, dass der Patient nicht zufrieden war«, sagte Lars Kvamme.
    Er hob die Arme und verschränkte die Hände im Nacken. »So wenig zufrieden, dass er nicht mehr hier

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