Kanadische Traeume
Charity.
“Ich hatte es auch nicht gerade geplant.”
“Ich wollte dich davon überzeugen, daß ich nicht die Frau bin, für die du mich gehalten hast”, sagte sie niedergeschlagen.
“Du hast mich überzeugt, Charity. Du hättest es mir sagen sollen. Ich weiß nicht, wie, aber irgendwie hätte ich mich dann zurückgehalten.”
“Ich werde zu spät zur Arbeit kommen, und es ist erst mein zweiter Tag.”
Das Mitgefühl in seinem Blick verstärkte sich, als wüßte er um den Aufruhr ihrer Gefühle.
“Warum ich?” fragte er liebevoll.
Was sollte sie darauf antworten? Weil er so unglaublich attraktiv war, daß sie ihm nicht widerstehen konnte? Weil etwas in seinem Blick sie verführt hatte? Weil sie sich in seinen Armen so gut wie nie zuvor im Leben gefühlt hatte? Weil seine Lippen ihr eine bisher unbekannte Welt auf getan hatten? Eine Welt der Ekstase. Was sollte sie sagen?
“Warum nicht? Einer mußte es sein.”
“Ich weiß nicht, was die Zukunft für uns bereithält”, sagte er leise.
“In den nächsten Stunden hält sie Arbeit für mich bereit”, sagte sie mit unnatürlicher Fröhlichkeit, die ihn jedoch nicht zu täuschen schien. “In einer Stunde werde ich Drinks servieren.”
“Charity, darf ich dich halten?”
“Nein!”
“Es tut mir leid.”
Er hätte nichts Schlimmeres sagen können. Wie konnte es ihm leid tun?
“Entschuldigungen sind nicht nötig. Wir sind zwei erwachsene Menschen. Diese Dinge passieren nun mal”, versicherte sie ihm.
Matthew lächelte unsicher. “Du bist eine erwachsene Frau, der so etwas bis jetzt nicht passiert ist.”
“Können wir gehen? Der Sturm hat sich gelegt.”
“Charity, wir können nicht so tun, als wäre nichts geschehen.”
Das werde ich dir zeigen, dachte sie.
“Es ist, als hättest du mir ein Geschenk gemacht, das ich nicht verdient habe. Mein Leben ist total aus der Bahn geraten.”
“Niemand verlangt, daß du mich heiratest.” Charity sammelte ihre ganze Kraft. “Überhaupt wird es wohl am besten sein, wenn wir keinen Kontakt mehr miteinander haben, findest du nicht auch?”
Er sah sie besorgt an, aber sie konnte nicht wissen, wie sehr seine Antwort schmerzen würde.
“Vielleicht ist das wirklich besser. Fast unmöglich unter den Umständen, aber besser.”
Meinte er mit “unter den Umständen” die Tatsache, daß sie beide den Sommer in Anpetuwi verbrachten, oder die Tatsache, daß die Gefühle zwischen ihnen nicht plötzlich ausgelöscht wären?
Ihr Körper verlangte schon jetzt wieder nach seinem, nach seiner kraftvollen Umarmung, der sanften Gewalt, mit der er sie genommen hatte.
Plötzlich wußte Charity, was sie tun mußte. Sie wollte für immer diesen Blick voller Teilnahme auslöschen, der sie bis in die Seele hinein zu ergründen schien. Matthew sah sie an, als fragte er sich: Wird sie darüber hinwegkommen? Wird sie mehr daraus machen, als es ist? Sie mußte ihren Stolz retten und die Zärtlichkeit, die sie für diesen Mann empfand, für immer vergessen.
Mit einem unbeschwerten Lachen sprang sie auf die Füße, nahm ihre Schuhe und lief zum See hinunter. Mit aller Anstrengung gelang es ihr, das Boot ins Wasser zu schieben. Sie stieß schon vom Ufer ab, als Matthew klar wurde, was sie vorhatte.
“Charity! Komm zurück!”
Sie nahm keine Notiz und steuerte mit erstaunlichem Geschick auf den jetzt ruhigen See hinaus. Das silbrige Mondlicht würde ihr den Weg nach Hause zeigen.
Tränen strömten ihr über das Gesicht. Wie ironisch - die Landschaft, der Mondschein auf dem dunklen Wasser, der Felsenstrand - es hätte nicht romantischer sein können.
Und sie hatte soeben einen Fremden geliebt. Das schlimmste war, es war so herrlich gewesen, daß es schwer sein würde, es nicht wieder zu tun.
Aber sie war kein Schwächling. Sie schwor sich auf dieser einsamen nächtlichen Fahrt auf dem See: nie wieder, Matthew Blake, nie wieder.
Charity lachte trotz der Tränen. Matthew Blake würde so wütend auf sie sein, wenn er sie das nächste Mal sah, er würde an alles andere als an Liebe denken!
5. KAPITEL
“Du siehst fabelhaft aus.”
Charity wußte, es war wahr. Sie war in ihre Hütte geeilt, um sich für die Arbeit umzuziehen. Erstaunt stellte sie im Spiegel fest, daß die Tränen kaum Spuren hinterlassen hatten. Ihre Wangen waren rosig, und in ihren Augen lag ein seltsamer Glanz.
“Danke, Nelson”, sagte Charity. “Und vielen Dank, daß Sie für mich eingesprungen sind.”
Charity war überrascht, wie gut er
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