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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Frau KottzmeyerGöbelsberg, sagte, dass die Akte heute da wäre.«
    »Herr Engin, Sie meinen, Ihre Papiere seien in der Behördenpost?«
    »Ja, genau das hat sie gesagt.«
    »Und in der Behördenpost können Briefe gar nicht innerhalb eines Tages ankommen. Das ist rein praktisch gar nicht möglich, nicht real theoretisch.«
    »Ja, aber wir haben doch nur noch sechs Tage Zeit, und Frau Kottzmeyer-Göhelsberg hat gestern gesagt ...«
    »Na ja. Sie werden ja gleich sehen, dass ich recht habe.«
    Ohne einen nennenswerten Unfall kommen wir bei der Ausländerbehörde an. Das ist deswegen erwähnenswert, weil Frau Tanja anscheinend an Linksverkehr gewöhnt ist und dazu noch mit diesen als Schuhe getarnten Stelzen gefahren ist.
    Ich erschrecke mich jedes Mal aufs neue, wenn ich den Wartesaal der Ausländerbehörde betrete. Es ist immer zehnmal voller und lauter als auf dem Arbeitsamt, wo sich die ganzen Leute treffen, die sowieso nicht arbeiten wollen und die alle auf meine Kosten leben. Das Durcheinander ist noch größer als auf dem Frankfurter Hauptbahnhof zur Hauptverkehrszeit. Und es wird mindestens in genauso vielen Sprachen herumgebrüllt.
    Aber als Frau Tanja den Raum betritt, hört das ganze Gedränge auf und alle Sprachen der Welt verstummen. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, wenn sie mit ihren Absätzen nicht so laut klackern würde. Doch damit nicht genug: Genauso wie damals das Rote Meer für Moses und das Volk Israel, so teilt sich die riesige Menschenmasse vor uns in zwei gleiche Hälften und lässt uns im Kielwasser von Frau Tanja passieren. So als ob das die normalste Sache von der Welt wäre, geht Frau Tanja mit ihrem Taschencomputer unter dem Arm lächelnd durch das Rote Meer von Menschen hindurch. Und das Turkvolk, bestehend aus mir und meiner Frau, folgt ihr auf den Fersen. Jetzt, nach vielen Jahren, verspüre ich end lich die tiefere Bedeutung der Parole:
    »Wir sind das Volk!«
    »Osman, ich glaube, ich hätte gestern auch so einen roten Minirock anziehen sollen«, ruft Eminanim begeistert.
    »Frau, ich befürchte, deine langen Wollunterhosen würden dem Minirock die Schau stehlen!«
    Frau Tanja klopft an die Tür und geht rein, ohne auf eine Antwort zu warten. Wenn sie doch bloß wüsste, was für einen entsetzlich langen Kampf wir gestern hier ausgefochten haben, um dieses Büro nur betreten zu dürfen! Die drei männlichen Beamten lassen sofort alles fallen, was sie in der Hand haben, stehen wie ein Mann blitzschnell auf und rufen im Chor:
    »Junge Frau, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Ich habe gerade nichts zu tun, kommen Sie doch zu mir.«
    Schade, dass die für uns zuständige Sachbearbeiterin nicht männlichen Geschlechts ist. Frau Kottzmeyer-Göbelsberg tut so, als hätte sie uns überhaupt nicht wahrgenommen. Wir stehen direkt vor ihrem Schreibtisch, aber sie ignoriert uns total und hämmert wie wild auf ihren Computer ein. Aus ihrem Verhalten und aus ihrem Gesichtsausdruck kann ich nicht herauslesen, ob sie sich ihren männlichen Kollegen zum Trotz so verhält, ob sie rote Miniröcke nicht mag, oder ob sie dem ostfriesischen Bauernverband feindlich gesinnt ist. Wie dem auch sei, es herrscht eine recht unerträgliche und gespannte Stimmung im Raum. »Schönen guten Morgen, Frau Kottzmeyer-Göbelsberg.
    Sie haben heute aber eine tolle Bluse an«, schmeichelt meine Frau.
    »Wir sind die Familie Engin. Wir sollten doch heute noch mal schauen, ob unsere Akte endlich da ist.« Ohne vom Computer hochzusehen knurrt unsere Sachbearbeiterin:
    »Nein, tut mir leid, Ihre Akte ist noch nicht angekommen.«
    »Das war mir ohnehin klar! Können Sie mir bitte sagen, bei welcher Behörde die Akte Engin zuletzt gesichtet worden ist?«
    mischt sich Frau Tanja zum ersten Mal in den Streit zwischen Osman Engin und der Bundesrepublik Deutschland ein.
    Unsere Sachbearbeiterin ignoriert Frau Tanja weiterhin und fragt mich: »Ist die Dame hier etwa Ihre Rechtsanwältin?«
    »Mein Name is t Tanja Schulz, und ich bin die offizielle Sprecherin des ostfriesischen Bauernverbandes in Emden und Umgebung. Ich bin mitgekommen, um der Familie Engin in ihrer misslichen Lage behilflich zu sein.«
    »Seit wann gehört unsere Stadt zu Ostfriesland?« fragt Kottzmeyer-Göbelsberg trotzig. »Abgesehen davon ist ein Bauernverein für diese Sache überhaupt nicht zuständig. Herr Engin muss mit seiner gesamten Familie Deutschland innerhalb von sechs Tagen verlassen. Sein Asylantrag wurde rechtsgültig abgelehnt. Das

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