Kann denn Fado fade sein?
lassen. Wir haben Ebbe. An der Flutlinie fängt Giò an wie wild zu buddeln. Er findet zwei tote Tauben, ohne Köpfe. Daneben liegen ein paar rote Rosen und abgebrannte Stümpfe von weißen Kerzen. Die dazugehörigen Vogelköpfe findet mein Hund nicht.
Tote Tiere als Opfergabe, und dann noch ohne Kopf? Ein Blick zum Himmel verrät mir: Wir müssten Vollmond haben. Ob das damit zusammenhängt? Ist ja schon ein bisschen unheimlich. Ob Hexerei im Spiel ist? Schwarze Magie? Voodoo-Zauber?
Dass es hier so etwas gibt – und nicht in einer ländlichen Gegend, wo man vielleicht noch eher Aberglauben vermutet! Nein, ich finde das alles unweit des Touristenorts Cascais, ganz in der Nähe der modernen Hauptstadt Portugals. In einem Waldgebiet, in dem es an jedem Wochenende und vor allem zur Urlaubszeit von Besuchern und Touristen nur so wimmelt. An einem Strand, der viel besucht ist. Merkwürdig.
Ana ruft mich an. Sie hat Liebeskummer. Schlimmen Liebeskummer.
»Ich glaube ja«, sagt sie, »dass ein Fluch auf mir liegt. Den muss ich schnell loswerden.«
Ah ja.»Und wie willst du das machen?« Noch nehme ich das Ganze eher auf die leichte Schulter.
»Ich habe mich schon erkundigt – es gibt in Caldas da Rainha eine sehr erfahrene bruxa , die hilft mir!«
»Eine was?«
»Eine Hexe. Die hat tolle Referenzen, und ich muss sie auch erst bezahlen, wenn sich Erfolg einstellt.«
Wir leben im 21. Jahrhundert. In einem modernen Land, in dem man technisch und wissenschaftlich auf dem neuesten Stand ist. Portugal liegt nicht hinter dem Mond (selbst wenn es hier einen Mondberg gibt), sondern lediglich am westlichsten Ende Europas. Ganz normale Menschen gehen zu einer Hexe? Glauben an Waldgeister, denen man Opfergaben darbringen muss? Sind überzeugt davon, dass sie verflucht sind?
Jetzt will ich es aber wirklich wissen: »Und was macht diese bruxa ?«
»Keine Ahnung«, sagt Ana. »Aber ich bin ganz sicher, sie kann mir helfen. Fährst du mit nach Caldas?«
Es sind immerhin knapp hundert Kilometer, aber ich bin einverstanden. Ich weigere mich allerdings, mit ihr die Hexenpraxis zu betreten, Ana besteht glücklicherweise nicht darauf. Ich warte lieber im Café an der Straße. Nach ungefähr einer halben Stunde taucht Ana dort auf.
»Und?«
»Sie hat mir ein Fläschchen mit Tropfen mitgegeben. Da muss ich ein paar Haare von Armindo hineintun, und dann muss ich das heute Nacht unter eine Eiche eingraben.«
Aha.»Heute Nacht?«
»Ja, es muss heute Nacht sein, weil heute Neumond ist.«
Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Ana macht das tatsächlich. Armindo ist glücklicherweise nicht im Lande, er ist momentan in Deutschland. Also braucht Ana nicht zu erklären, wieso sie nachts in den Park gehen muss. Sie klaut ein paar Haare aus seiner Bürste, gibt sie in die kleine Flasche und zieht kurz vor Mitternacht los, nachdem sie vorher bei Tageslicht schon mal im Stadtpark nach einer Eiche gesucht hat. Da gab es leider keine.
Palmen funktionieren nicht, meint Ana. Aber Pinien schon, und deshalb – erfahre ich am nächsten Morgen – hat sie das Fläschchen in Strandnähe unter eine Pinie verbuddelt.
Ich zweifle an meinem Verstand (an dem von Ana sowieso). Ist das vielleicht eine typische Verhaltensweise von Portugiesinnen? Andererseits war der GNR-Beamte ja ein Mann …
Oder liegt es am Alter? Ana ist Mitte zwanzig. Vielleicht hat sie zu viele TV-Serien über Vampire und Hexen gesehen? Aber auch damit liege ich falsch.
Senhor Filipe fragt, ob ich mit ihm nach Lissabon fahre. Wir könnten, so meint er, zum bekannten schwedischen Möbelhaus shoppen gehen. Vorher aber muss er, das sagt er gleich, zum Campo dos Mártires da Pátria.
»Was willst du denn in der deutschen Botschaft?«, will ich wissen.
Er muss nicht in die Botschaft. Aber außer der Botschaft, dem Goethe-Institut und einem kleinen Park ist nichts an diesem Platz.
»Doch«, sagt Senhor Filipe. »Da ist die Statue von José Tomás de Sousa Martins.«
Interessant. »Wer ist das? Und vor allem: Was willst du da machen?«
Senhor Filipe ist es ein bisschen peinlich, aber dann erzählt er die Story: »Ich habe da in der Gegend mal gewohnt«, sagt er. »Meine Exfrau hatte starke Rückenschmerzen und sollte operiert werden. Da habe ich wie alle bei Sousa Martins eine Kerze angezündet – und sie war geheilt!«
Wie alle anderen?
»Ja«, erklärt Senhor Filipe. »José Tomás de Sousa Martins war ein berühmter Arzt und beim Volk sehr beliebt, weil er half, ohne Geld
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