Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
gibt’s keinen Ärger!«
»Niemand schiebt hier irgendwas auf meinen Hund!«, verteidige ich meinen treuen Begleiter, der mich abwartend ansieht. »Ich gehe erst mal runter zu Papa. Du kannst Caruso ja mit zu Mama in die Küche nehmen – wenigstens der wird hier gastfreundlich behandelt!«
Während Moritz über meine übellaunige Art schon wieder grinsen muss und sich mit meinem Ca de Bestiar aus dem Staub macht, tapse ich auf Socken die Kellertreppen hinunter.
Beethovens dritte Symphonie tönt mir entgegen, nur unterbrochen vom leisen Rattern einer Modelleisenbahn auf Schienen und ab und zu einem hellen Signalton. Ich gehe am Wasch-, Heizungs- und Vorratsraum vorbei, und als ich um die Ecke des Hobbykellers biege, ist Beethoven ohrenbetäubend laut geworden. Und da sehe ich meinen Vater in der Mitte seiner kleinen Welt sitzen, übers ganze Gesicht strahlend und Lokführer spielend. Ich lehne mich in den Türrahmen, verschränke die Arme und genieße den Anblick einen Moment lang grinsend. Ach ja, ich kann so gut verstehen, dass er hier unten ganze Tage und Nächte verbringt, seitdem er in Rente ist. Wie könnte man sich auch besser vor dem Hausdrachen da oben verstecken, als sich selbst eine unterirdische Höhle zu bauen? Als das Stück vorbei ist, nutze ich die Stille, um mich bemerkbar zu machen.
Ich räuspere mich, und er sieht auf. »Hallo, Papa!«
»Oh, hallo Spatz! Ihr seid schon da?« Mein Vater schießt von seinem Drehstuhl hoch, von dem aus er seine Miniaturwelt zu lenken pflegt, und breitet die Arme aus. »Komm her, deinen alten Herrn drücken!«
Ich bahne mir den Weg durch kleine Tannenwälder, Berge und Seen, werde als Riese von Unmengen kleinster Figürchen bestaunt und lasse mich schließlich an die Brust meines Papas drücken.
»Du wirst immer hübscher, weißt du das?«, strahlt er mich stolz an. »Als Baby warst du schon so bezaubernd, aber ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das noch steigerungsfähig wäre!«
»Danke, das ist lieb von dir!«, erwidere ich gerührt. »Und wie geht’s der Schäfer’schen Bahn? Sind die Züge wenigstens bei dir pünktlich?«
»Es sind noch keine Klagen gekommen.« Mein Vater grinst und macht eine ausschweifende Handbewegung über die kleine Plastikwelt in seinem Keller hinweg. »Und, wie findest du’s?«
»Perfekt natürlich«, grinse ich zurück. »Ist Mama wegen dem Essen sehr streng mit dir?«, frage ich, als mir sein schmal gewordener Bauchumfang auffällt.
»Ach, du kennst deine Mutter ja …«, seufzt er. »Sie meint es nur gut, weißt du? Aber falls es dich beruhigt …« Mein Papa umrundet einen der Tische, auf denen die Modellbahn steht, und geht zielstrebig auf ein Alpenpanorama zu. Als er die Rückseite eines Berges berührt, ertönt ein leise klackendes Geräusch, und er öffnet eine kleine Klappe. Dann winkt er mich zu sich heran, und ich trete näher, um einen Blick in das Innere des Berges zu werfen. Und was sehe ich? Schokoriegel, Chips und Dosenbier!
»Papa!«, rufe ich in gespielt vorwurfsvollem Tonfall.
Doch er lacht nur. »Mein Überleben ist gesichert! Aber sag Mama nichts davon!« Dann wuschelt Papa mir durch die Haare.
»Versprochen!«
»Gut. Dann lass uns mal nach oben gehen, es gibt bestimmt Kaffee. Hast du Caruso auch mitgebracht?«
»Aber natürlich!«
»Prima, dann kann ich mit dem Kleinen gleich noch eine Runde drehen. Ach, Vicky, ich freu mich, dass du da bist!«
»Ich mich auch.« Und gerade in diesem Moment, so alleine mit meinem Vater und einem Stück meiner Kindheit, stimmt das sogar.
»Was? Du willst noch ein Stück?« Missbilligend blickt meine Mutter auf meine ausgestreckte Hand mit dem Teller hinab.
Ich nicke nur kauend. »Victoria, so wirst du nie einen Mann finden!« Ich verdrehe genervt die Augen und lasse den Teller sinken.
»Wie kommst du denn darauf?«, kommt mir mein Vater zu Hilfe.
»Weil sie ihrem Mann alles wegfuttern wird?«, grinst mein Bruder, der unbehelligt sein drittes Stück verdrückt, ohne dass jemand davon Notiz genommen hat.
»Nein, weil sie aufgehen wird wie ein Hefekloß!«, prophezeit unsere Mutter. »Wie soll ich denn zu meinen Enkeln kommen? Und vor allem wann?«
»Vicky ist doch noch jung!« Mein Vater legt mir ein großzügig abgeschnittenes Kuchenstück auf den Teller, und ich lächle ihn dankbar über den Tisch hinweg an. Er zwinkert mir zu und grinst.
»Aber für Frauen kann es nie früh genug sein! Das Ticken der biologischen Uhr müsste bei ihr schon
Weitere Kostenlose Bücher