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Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Titel: Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Wolf
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ein Fortpflanzungsakt, zu dem uns unser Instinkt zwingt. Ach, Vicky, wenn das Leben mal so pragmatisch wäre, wie du es darstellst! Glaubst du nicht, dass die Welt dann ein ganzes Stück ärmer wäre? Stell dir das Leben doch mal ohne Gefühle vor! Natürlich ist es mitunter anstrengend. Aber wäre es nicht auch furchtbar langweilig, wenn es sie nicht gäbe?«
    »Doch, schon …«
    »Und wenn deine Zuneigung erwidert wird und du nicht gerade in einer echt verzwickten Situation steckst, dann bist du doch auch dankbar dafür, dass es Gefühle gibt. Glaub deinem alten Bruder, der schon ein paar Jährchen mehr als du Erfahrungen sammeln durfte. Das mit der Liebe macht schon Sinn, auch wenn es dir manchmal anders erscheinen mag.«
    »Ja, vielleicht«, murmele ich und schleudere wieder den Tennisball von mir. Leider etwas zu weit, wie ich feststellen muss, denn er verschwindet hinter den Tannen des Nachbargrundstückes, gefolgt von einem lauten Klirren. Erschrocken sehen ich und Moritz uns an und lauschen auf mögliche Reaktionen. Nichts.
    »Wohnen da nicht die Paschulkes?«, fragt mein Bruder schließlich.
    Ich nicke. »Vielleicht sollten wir mal rübergehen und uns entschuldigen!?«, schlage ich kleinlaut vor.
    Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Nachbarhaus und klingeln. Dort angekommen, stehen wir nervös auf der Fußmatte herum und treten von einem Bein aufs andere. Dann geht die Tür auf.
    »Ja?« Frau Paschulke steht vor uns, Lockenwickler in den Haaren, die Hände, an denen Teig klebt, von sich gestreckt und einen fragenden Ausdruck auf ihrem freundlichen und zerknautscht wirkenden Gesicht.
    »Hallo, Frau Paschulke. Ich bin die Tochter von den Schäfers von nebenan, und ich glaube, ich habe gerade aus Versehen eines ihrer Fenster kaputt gemacht.« O Gott, ich höre mich an wie eine Siebenjährige. Und noch schlimmer: Ich fühle mich gerade auch so.
    »Oh, Victoria? Dich habe ich ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen! Und Moritz, du bist ja auch dabei! Kommt doch rein!« Die alte Dame strahlt und tritt zur Seite, um uns ins Haus zu lassen. »Ihr kommt gerade richtig, ich backe nämlich Kuchen.«
    Wenig später sitzen wir auf einer Eckbank, schlürfen Kaffee und essen warmen Marmorkuchen.
    »Was machst du denn inzwischen beruflich, Vicky?«, fragt mich Frau Paschulke irgendwann interessiert.
    »Ich schreibe Kolumnen für ein Frauenmagazin. Allerdings kann ich davon allein noch nicht leben und plane auf lange Sicht, fest in der Redaktion zu arbeiten. Es steht aber in den Sternen, ob das wirklich klappen wird, denn die Hierarchien sind dort ziemlich hoch und feste Stellen knapp. Na ja, irgendwas Journalistisches will ich auf jeden Fall machen.«
    »Wirklich? Ist ja interessant. Der Mann von unserer Sonja ist auch Journalist, sogar Chefredakteur einer Zeitung in München. Ich vergesse nur den Namen der Zeitung leider immer, ich werde einfach nicht jünger.« Sie lächelt entschuldigend. »Heute Abend kommen Sonja, mein Schwiegersohn und mein Enkel zu Besuch – vielleicht wollt ihr beiden und eure Eltern ja zum Essen kommen, dann kann ich dich ihm mal vorstellen?«
    »Oh … das wäre prima!«, stammele ich völlig überrumpelt, und Moritz nickt nur zustimmend, natürlich weil er den Mund voll hat.
    »Ich gehe nicht mit zu den Paschulkes!«, meint meine Mutter wenig später entschieden. »Da kriege ich nur wieder vorgehalten, dass ich noch kein so süßes Enkelkind habe, wie Frau Paschulke es von Sonja gekriegt hat.«
    Ich verdrehe die Augen, denn deutlicher hätte sie mir mit dem Zaunpfahl nicht auf den Kopf schlagen können. »Wenn’s dir recht ist, werde aber wenigstens ich hingehen, immerhin könnte ich wichtige Kontakte für meine Karriere knüpfen.«
    »Jaja, geh nur. Kommt dein Vater mit?«
    »Klar, wenn es was Anständiges zu essen gibt, ist er nicht zu bremsen – genau wie ich«, antwortet Moritz und grinst.
    Unsere Mutter holt Luft, um wieder mal den Bauchumfang ihres Mannes zu bemängeln (seinen »Schweinsbratenfriedhof«, wie er seinen Ranzen liebevoll zu nennen pflegt), doch dann winkt sie nur resigniert ab und wünscht uns einen schönen Abend.
    Eine Stunde später bereue ich es bereits, dem Beispiel meiner Mutter nicht gefolgt zu sein, denn Sonja ist ohne Mann da, da dieser noch irgendeinen wichtigen Schreibkram zu erledigen hatte und später nachkommen würde, wenn es überhaupt zu schaffen war. Das alte Ehepaar Paschulke ist nur auf seine Enkeltochter konzentriert, welche meiner Meinung nach eher

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