Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
Ebanars Blick folgte einem Raumschiff, das von einem der weißen Türme ablegte, aufstieg und in den grauen Wolken verschwand.
»Kommandeur Evrim Grait von der Ehernen Garde«, antwortete der Datenservo. »Sie haben einen Termin mit ihm vereinbart.«
Ebanar erinnerte sich vage. »Richte ihm aus, dass es mir sehr leidtut, aber derzeit bin ich beschäftigt. Vereinbare einen neuen Termin. Während der nächsten halben Stunde möchte ich ungestört sein.«
»Verstanden.«
Es wurde wieder still im Büro. Joras Ebanar wandte sich vom Fenster ab und kehrte zum Schreibtisch zurück. Die zentrale pseudoreale Darstellung darüber zeigte noch immer das Symbol des Oberkommandos der AFW-Streitkräfte und darunter eine spezielle Zeichenfolge: der Autorisierungskode des Hegemons. Die Nachricht selbst stellte ein chaotisches Wogen aus Farben dar.
»Entschlüsselung«, sagte Ebanar noch einmal, wie vor fünf Minuten.
Die Sondierungssignale von Sicherheitssensoren tasteten ihn ab, verifizierten seine Identität und stellten gleichzeitig fest, dass sich keine unbefugten Personen in der Nähe befanden.
Aus den Farbschlieren wurden Buchstaben.
Das Projekt Brainstorm, vom Oberkommando kurz nach Millennias Befreiung vor dreiundzwanzig Jahren eingeleitet, brauchte eine hochbegabte Tal-Telassi, am besten eine Großmeisterin. Sie sollte sich so schnell wie möglich nach Ennawah im Ormath-System auf den Weg machen.
Eine Großmeisterin kam natürlich nicht infrage – die Lage auf Millennia war explosiv genug. Aber …
»Brainstorm«, murmelte Ebanar, froh darüber, dass Loana von gewissen Dingen nichts wusste. Als Soldat war ihm klar: Die Notwendigkeiten des Krieges kümmerten sich nicht um Moral und Ethik; sie gehorchten eigenen Regeln. Aber das bedeutete nicht, dass er Gefallen daran finden musste. Manchmal wünschte er sich zurück zum Hydra-Lazarett, in eine kleine, überschaubare Welt mit klar abgegrenzter Verantwortung. Doch für niemanden von ihnen gab es ein Zurück; der Weg führte immer nur nach vorn.
Millennia war wichtig für die Allianzen, und wenn sich die Dinge weiterentwickelten wie bisher, lief Okomm Gefahr, diese Welt zu verlieren.
»Dominique …«, flüsterte Ebanar. Das verbale Interface reagierte auf die leisen Silben, und in den Projektionsfeldern vor dem Militärgouverneur erschienen aufgezeichnete Szenen, die Dominique und andere Tal-Telassi bei Protestversammlungen und Demonstrationen zeigten. Loanas Tochter war auf dem besten Wege, zu einer Rädelsführerin zu werden. Schon seit einer ganzen Weile suchte Ebanar nach einer Möglichkeit, die von ihr ausgehende Gefahr zu eliminieren, ohne dass seine Beziehung zu Loana darunter litt. Wenn sich die Tal-Telassi von Millennia über das Konkordat hinwegsetzten und direkt gegen die Militärpräsenz aktiv wurden, so war er gezwungen, hart durchzugreifen. So weit durfte es nicht kommen. Ohne Dominique, deren aufrührerische Reden besonders bei den jungen Orthodoxen Anklang fanden, ließen sich die Tal-Telassi zweifellos leichter zur Vernunft bringen. Damit war Problem Nummer eins gelöst. Und falls es auf Millennia doch zu einem Aufstand kam, so ergab sich daraus keine Gefahr für Loanas Tochter, wenn sie im fernen Ormath-System weilte – die Lösung für Problem Nummer zwei.
Ebanar erinnerte sich daran, was mit anderen Tal-Telassi bei den Brainstormern geschehen war – gewisse Informationen erreichten ihn durch Okomm-Kanäle, obwohl er nicht zum Projektpersonal gehörte. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass Dominique ein Sonderfall war: eine junge Tal-Telassi mit dem Potenzial einer Großmeisterin. Den Verantwortlichen würde zweifellos klar sein, dass ein solches Potenzial bewahrt werden musste.
Dennoch war Ebanars Herz schwer, als er den Kom-Servo aktivierte und Anweisungen erteilte.
Interludium 7
1. März 1147 ÄdeF
In seinem mehrere Jahrhunderte langen Leben hatte sich Zäus viele Fragen gestellt, und er wusste, dass eine von ihnen vermutlich für immer unbeantwortet bleiben würde, die nach seinem Namen. Warum hatte man ihn ausgerechnet Zäus genannt, und nicht Zeus? Nur der Chefdesigner Bartold, dem er die Basisniveaus seiner vielschichtigen Existenz verdankte, kannte den Grund, doch er war einem Unfall zum Opfer gefallen, bevor in seiner Schöpfung Intelligenz erwachte. Er hatte die Frage nie hören und beantworten können.
Vielleicht war es »Schicksal« – jene Art von höherer Bestimmung, die im Denken mancher organischer
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