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Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Titel: Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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wie Dorim Allbur Gefangenschaft mit Freiheit verwechseln.
    Die Konturen der Umgebung lösten sich auf; alles schien an Substanz zu verlieren. Dunkelheit wogte heran, wie schwarzer Nebel, der sich immer mehr um sie herum verdichtete.
    »Dorim?«, fragte Dominique, und ihre Stimme warf ein beruhigendes Echo im Tal-Telas.
    »Ich bin hier.« Eine Gestalt erschien neben ihr, ein gutmütig lächelnder Mann in mittleren Jahren – der Mann, der Allbur bis zum »Unfall« gewesen war. Er blieb dicht neben Dominique stehen und deutete nach vorn.
    Der schwarze Dunst lichtete sich und wich einem diffusen Grau. Dominique stellte fest, dass sie in einer Art Flur standen, der einige Meter weiter vorn an einer Tür endete.
    »Sind wir schon in Ruperts Selbst?«, fragte sie.
    »Ja. Öffnen Sie die Tür.«
    Dominique trat vor, streckte die Hand nach der Klinke aus und öffnete die Tür.
    Was auch immer sie erwartet hatte – dies war eine Überraschung.
    Feuer loderte ihr entgegen, und sie begriff: Ruperts Seele stand in Flammen.

 
Interludium 10
     
    30. März 1147 ÄdeF
     
    Als Gunter aufbrach, sah er am Horizont jenseits des tropischen Großbiotops die Silhouette des Terrassenpalastes und dachte daran, dass er, streng genommen, Verrat übte. Er hatte lange mit sich gerungen, auf rein intellektueller Ebene, und letztendlich beschlossen, auf die mahnende Stimme seines Gewissens zu hören. Dass die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung in die falsche Richtung führte, wusste er schon seit einer ganzen Weile, aber inzwischen war sie an einem Punkt angelangt, der all das infrage stellte, woran Gunter glaubte, und außerdem ergab sich ein moralisches Problem: Wenn er sich weiterhin darauf beschränkte, die Anweisungen des Hegemons auszuführen, so traf auch ihn Schuld.
    Als er durch die Fußgängern vorbehaltenen Verkehrskorridore von Holdera eilte, der Hauptstadt von Dura-Tora, glaubte er sich trotz der bionischen Maske erkannt und beobachtet. Natürlich gab es Möglichkeiten, trotz der Tarnung seine wahre Identität auch aus einiger Entfernung festzustellen, aber die dazu notwendigen Apparate oder bionischen Kreaturen waren recht teuer. Einen DNS-Sniffer hätte er mit der bionischen Maske bestimmt nicht täuschen können, und Gunter wusste, dass die AIV über solche Bione verfügten. Und seitdem Maximilian Tubond die Alliierte Innere Verteidigung von einem Geheimdienst in eine Geheimpolizei mit weitgehenden Vollmachten verwandelt hatte, konnte nicht einmal ein Sekretär des Hegemons vor Bespitzelung sicher sein. Andererseits: Seit fünf Tagen, seit dem Aufstand der Tal-Telassi, war die AIV vermutlich mit anderen Dingen beschäftigt.
    Zumindest in diesem Teil von Holdera war vom Krieg und den jüngsten radikalen Veränderungen auf den Welten der Allianzen wenig zu spüren. Überall leuchteten bunte Lichter, heller als die künstlichen Sonnen am vom Gasriesen Dura dominierten Himmel, und quasireale Projektionen versuchten, die Aufmerksamkeit von Passanten und Levitranspassagieren einzufangen. Pheromonwolken schwebten umher, manche von ihnen dergestalt mit warnenden Hinweisen ausgestattet, dass sie die olfaktorischen Sinne bestimmter Spezies stark belasteten. Laute Musik kam aus großen Vergnügungssälen, subtile Melodien flüsterten aus exklusiveren Etablissements. Dieses allein auf Hedonismus ausgerichtete Viertel der Hauptstadt bereitete Gunter emotionsloses Unbehagen, und genau deshalb hatte er diesen Treffpunkt gewählt. Niemand würde vermuten, dass er hierherkam.
    Das Goldene Riff genoss, wie Gunter bei seinen Recherchen herausgefunden hatte, einen besonders schlechten Ruf, und das mochte der Grund sein, warum es so viele Besucher anlockte. Im Innern war es dunkler, was für die bionische Maske aber kein Problem darstellte; sie reagierte mit einer automatischen Sensibilisierung der visuellen Wahrnehmung und gestattete es Gunter, alle Einzelheiten deutlich zu erkennen. Die vielen Tische und Nischen verfügten zwar über Akustikdämpfer, aber nicht alle von ihnen schienen aktiviert zu sein. Die Stimmen von mehr als tausend Gästen, viele von ihnen Menschen, schufen ein wildes akustisches Durcheinander. Selbst in den Gängen zwischen den Tischen und Alkoven herrschte ein solches Gedränge, dass sich körperliche Kontakte mit anderen Besuchern nicht vermeiden ließen. Immer wieder wurde Gunter angerempelt, und schließlich schaltete er seinen Mikrokrümmer eine Stufe höher, verringerte damit sein subjektives Gewicht.

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