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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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geführt, dass die Infektion, die sie schon seit ein paar Tagen vergeblich zu bekämpfen versucht hatte, schließlich doch zum Ausbruch kam, und jetzt war sie krank. Sie sah ziemlich schlecht aus, das ließ sich nicht leugnen. Sie hatte rote Augen und eine rote Nase, und ihr Gesicht war sehr blass.
    »Wie geht es meinem süßen kleinen Joshua?«, fragte sie.
    »Ich habe Kacksoße gemacht.«
    »Oh.«
    »War nicht sehr flüssig. Kein Du, Di, Dingsfall. Bloß Kacksoße.«
    »Gut.«
    »Und jetzt gehen wir die Enten füttern. Aber nur, wenn du jetzt nicht sterben musst?«
    »Nein, ich glaube nicht, dass ich sterben muss, mein Schatz. Es ist nur so eine blöde Erkältung.«
    Joshua kletterte aufs Bett und umklammerte seine Mutter in einer kurzen, aber kräftigen Umarmung. Dann kletterte er wieder herunter, sagte: »Mach’s gut, Mami!«, und ging zur Tür.
    »Kann ich Ihnen irgendetwas bringen?«, fragte Matya.
    »Sie sind ein Engel. Nein, vielen Dank.« Dann hörte sie, wie die Haustür mit einem Schlüssel geöffnet wurde. »Was zum Teufel ist das?«
    Es war ihr Mann. Man konnte hören, wie Roger unten seine Tasche abstellte und den Mantel auszog, und dann die Treppen zum Schlafzimmer hinaufgesprungen kam. Unterwegs grüßte er seinen Sohn mit den Worten: »Na, alles klar, Kumpel?«
    »Ich hab Kacksoße gemacht«, sagte Joshua.
    »Na, da hast du’s ihnen aber gezeigt«, sagte Roger. »Hallo, Schatz! Wie steht’s mit dem fürchterlichen Katervirus?«
    Arabella wusste eigentlich, wie ungeheuer groß ihr Mann war, aber alle zwei Wochen passierte es ihr, dass sie trotzdem total überrascht davon war. Dieser Augenblick, während er im Türrahmen stand und ihn fast gänzlich ausfüllte, war ein solcher Moment.
    »Du miese Ratte. Ich liege im Sterben.«
    »Aber du hast gesagt, du stirbst nicht, Mami«, kam Joshuas Stimme aus dem Flur.
    »Nein, tu ich auch nicht, mein Schatz. Ich hab das nur zu deinem Papa so gesagt. Wie wär’s denn jetzt mit diesem tollen Spaziergang? Zu den Enten?«
    »Die gehen nicht weg«, sagte Joshua. »Das hat Matya gesagt.«
    Arabella wartete, bis ihr Sohn und sein Kindermädchen gegangen waren. Man konnte hören, wie sie sich unten eine Weile mit Schuhen, Jacken und einer Papiertüte voll Brotkrumen abkämpften; dann schloss sich die Haustür hinter ihnen.
    »Was machst du hier? Haben sie dich gefeuert?«
    »Sei nicht albern, da ist doch diese große Sache heute«, sagte Roger, während er sich auszog und in Richtung Dusche ging.
    »Große Sache? Was für eine Sache? Oh, Scheiße!«, sagte Arabella. Es war ihr plötzlich eingefallen, dass ihr Roger in der Tat bereits vor einiger Zeit erzählt hatte, dass es da so eine Sache geben würde; und dass er sie vor ein oder zwei Wochen noch einmal daran erinnert hatte. Und sogar gestern früh, als sie ihm gesagt hatte, sie habe vor, mit Saskia auszugehen, hatte er sie ermahnt, sie sollte es nicht zu wild treiben und mit einem schlimmen Kater enden, weil es da ja diese Sache gab. Es war eine Veranstaltung der Bank, für irgendeinen dieser Wohltätigkeitsvereine, die Pinker Lloyd unterstützte, damit die Seniorpartner ihre gesellschaftlichen Ambitionen unterstreichen konnten. Arabella hatte vergessen, für welchen Verein – vielleicht Spina bifida oder Aids Orphans oder die Soil Association . Irgend so was in der Richtung. Und es war wirklich eine große Sache, wie ihr jetzt wieder einfiel, so eine Art Ball oder Festessen, oder ein Ball mit Festessen. Diese Abende machten Arabella manchmal Spaß, manchmal wurden sie aber auch zur Qual. Das hing ganz von der Mischung der Leute ab. Wie die Unterhaltung aussah oder wo die Sache stattfand, war dabei weniger wichtig. Gelegentlich kaufte sie auch etwas im Rahmen einer Spendenaktion; ein Kleid oder eine Kochstunde oder eine Ferienwoche im Haus einer Privatperson. Aber heute konnte davon natürlich keine Rede sein, und dafür gab es zwei Gründe: 1. das Weihnachts-Bonus-Desaster; sie hatten ganz offiziell den Gürtel enger geschnallt, und 2. dieser schreckliche Kater, der es ihr unmöglich machte, bei dieser Veranstaltung in Erscheinung zu treten. Das würde sie im wahrsten Sinne des Wortes umbringen.
    Roger kam aus der Dusche zurück, und Arabella teilte ihm ihre schlechten Neuigkeiten mit.
    »Na, das ist ja ganz toll. Zwei Karten für zweihundert Pfund das Stück, und ich sitze wie ein abservierter Vollidiot allein am Tisch mit meinen Vorgesetzten. Na ja, es ist ja dein gutes Recht, nehmeich mal an, schließlich

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