Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
hatte. Trotzdem mochte er keine zu offenen sexuellen Anspielungen – und Quentina stellte zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie diesen Charakterzug an ihm mochte. Seine leichte Verklemmtheit legte nahe, dass sich darunter viel leidenschaftlichere Gefühle verbargen.
    »Jedenfalls laufe ich mehr als fünfzehn Kilometer pro Tag, und trotzdem kommt es mir so vor, als hätte ich kein einziges Gramm abgenommen.« Und dann riskierte sie es einfach: »Jetzt müsstest du eigentlich sagen, dass ich es überhaupt nicht nötig habe, auch nur ein einziges Gramm abzunehmen.«
    Glücklicherweise lachte er.
    »Natürlich, selbstverständlich! Noch nicht mal ein halbes Gramm! Es ist ein Rätsel. Wir müssen unbedingt herausfinden, woran das liegt. Aber sag mal – wie schnell gehst du eigentlich immer, wenn du bei der Arbeit bist?«
    Sie schlenderten gerade in einem netten, entspannten Abendspaziergangstempo dahin. Auf dem Bürgersteig war ziemlich viel los.
    »Ungefähr so wie jetzt.«
    »Wie jetzt!?«
    »Ja, so wie jetzt.«
    Mashinko schüttelte den Kopf.
    »Viel zu langsam. Da kommt doch gar kein Trainingseffekt bei raus. Du arbeitest nicht hart genug!« Als er Quentinas Gesichtsausdruck bemerkte, fügte er hastig hinzu: »Ich meine natürlich nicht, dass du bei deinem Job nicht hart genug arbeitest. Ich meine das Training, du trainierst nicht hart genug, um Fett zu verbrennen und abzunehmen. Du musst das wissenschaftlich sehen! Um an Gewicht zu verlieren, musst du Kalorien verbrennen. Schau, so wie jetzt –« und mit diesen Worten verdoppelte er sein Tempo, wobei er einer Gruppe von Frauen auswich, die gerade aus einer Bar gekommen waren. Die Frauen – vermutlich Singles auf der Pirsch – stützten sich gegenseitig, schrien, lachten, rauchten und husteten. Quentina ließ Mashinko ein paar Meter davonlaufen, aber dann wurde ihr klar, dass er keineswegs die Absicht hatte, wieder langsamer zu werden. Also nahm sie die Verfolgung auf. Er war fit, trieb viel Sport – spielte Fußball und verbrachte höchstwahrscheinlich auch noch zahlreiche Stunden im Fitnessstudio. Letzteres war nur eine Vermutung, aber sein Oberkörper sah eindeutig so aus, als würde er regelmäßig Gewichte heben oder Liegestützen machen oder so was in der Art. Harte Muskeln, straffe Haut … Sie musste laufen, um ihn einzuholen, und als sie es endlich geschafft hatte, war sie ziemlich verärgert. Aber er blieb stehen und schenkte ihr ein so breites und herzliches Lächeln, dass sie ihm sofort vergab.
    »So!«
    »Als würde ich an den olympischen Spielen teilnehmen.«
    »Nein, einfach nur etwas intensiver als das, was du gewöhnt bist. Das solltest du tun, wenn du abnehmen willst. Nicht, dass du das nötig hättest!«
    Am nächsten Morgen folgte Quentina seinem Rat. Natürlich nicht während des gesamten Tages. Nach dem Aufwachen bewegte sie sich erst immer nur sehr langsam und schläfrig, sie war keine von diesen Leuten, die sofort wie die Bekloppten losrennen, sondern gehörte eher zu denen, die nur langsam vom Startblock wegkommen. Sie zog es vor, ganz allmählich aufzuwachen, mit einem Kaffee und einer Schüssel von diesen seltsamen englischen Haferflocken, die irgendjemand in der Zuflucht eingeführt hatte, dieser Brei, der schon eher einer Mahlzeit glich und den man – über dieses Wort musste sie jedes Mal lachen – »Porridge« nannte. Zu diesem Zeitpunkt trug sie immer noch ihren Bademantel, gähnte vor sich hin und schlurfte träge durch die Gegend. Die anderen Bewohner der Zuflucht taten so ziemlich das Gleiche, außer Mira, der Albanerin, die immer schon draußen auf der Veranda war und sich bereits zur Hälfte durch das erste Päckchen des Tages geraucht hatte. Sie sah dabei jedes Mal so aus, als hätte sie die ganze Nacht mit Selbstgesprächen verbracht. Nach dem Frühstück ging Quentina wieder nach oben und zog sich gemächlich an, während der Tag in ihren Gedanken Gestalt anzunehmen begann. Sie wusch sich das Gesicht, putzte sich die Zähne und legte ein bisschen Makeup auf, nicht zu viel, es war ja schließlich nur ein Arbeitstag. In zwei Tagen würde sie ihr Gehalt bekommen, am Tag darauf hatte sie einen Termin beim Friseur und am selben Abend wieder eine Verabredung mit Mashinko. Etwas, auf das man sich freuen konnte. Aber das neue Trainingsprogramm musste jetzt sofort in Angriff genommen werden! Ein schneller Fußmarsch zu der Verkehrsüberwachungsfirma, um ihre Uniform anzuziehen, und dann ging’s los! Sie würde eine

Weitere Kostenlose Bücher