Kapital: Roman (German Edition)
Signifikanten.
Schwierig war es da schon eher, die richtigen Freunde zu finden. Man brauchte welche, die ähnlich dachten wie man selbst. Und die das nötige Geld dafür hatten. Zum Glück gehörte Saskia in genaudiese Kategorie. Vor achtzehn Monaten hatte ihr Abschaum von Ehemann sie verlassen, aber sie hatte ihn bei der Scheidung ausgenommen wie eine Weihnachtsgans und war daher mehr als in der Lage, ihren Anteil zu bezahlen. Für diese Art von Abenteuer war sie die perfekte Wahl. Arabella klickte sich durch die Website und kam zu dem Schluss, dass dieses Angebot im New Forest der bisher eindeutig stärkste Kandidat war. Und das Hotel war noch nicht ausgebucht. Sie nahm ihr Handy vom Tisch, klappte es auf und sagte »Saskia«. Es klingelte vier Mal.
»Hallo, mein Herzchen!«, sagte Saskia, die keinen Tag jünger war als siebenunddreißig.
»Schatzi!«, sagte Arabella, die ebenfalls siebenunddreißig war. »Ich glaube, ich hab was gefunden, unten im Süden. Soll ich dir den ganzen Klimbim vorlesen oder einfach buchen?«
»Du weißt doch, meine Süße, ich habe das größte Vertrauen in dich!«
»Klasse«, sagte Arabella, die unwillkürlich aufgestanden und zu dem Spiegel in ihrem Ankleidezimmer gegangen war. Sie schaute sich oft im Spiegel an, während sie telefonierte. Falls sie gerade draußen auf der Straße war, blieb sie vor einem Schaufenster stehen, um dort ihr Spiegelbild zu konsultieren. Arabella achtete auf ihr Erscheinungsbild, wählte sorgfältig ihre Kleider aus, ließ sich regelmäßig ihre blonden Strähnen erneuern; ihre Haut hatte immer die gleiche leicht goldene Farbe, wodurch ihre Haarfarbe noch besser zur Geltung kam, und sie dachte hin und wieder sogar über eine Schönheits-OP nach. Die Angewohnheit, sich beim Telefonieren anzuschauen, hatte jedoch nichts mit Eitelkeit zu tun. Es handelte sich vielmehr um einen zeitweiligen, plötzlichen und schwindelerregenden Verlust des eigenen Ichs, der zustande kam, weil sie nicht mit einer unmittelbar anwesenden Person, sondern nur mit einer Stimme über den Äther sprach. Wenn sie mit ihrem Handy telefonierte, brauchte sie eine gelegentliche Erinnerung daran, dass sie tatsächlich immer noch da war. »Also dann buche ich das«, sagte sie und drehte ihr Gesicht von einer Seite zur anderen,während sie mit ihrem Spiegelbild Blickkontakt hielt. »Ich schicke dir dann die Einzelheiten zu. Küsschen!«
»Hab dich lieb«, sagte Saskia und legte auf.
Arabella ging zurück zu ihrem Computer und begann damit, das Buchungsformular des Hotels auszufüllen. Von unten konnte sie ganz entfernt den Klang dreier vertrauter Stimmen hören, in drei wohlbekannten Tonfällen: Conrad beschwerte sich, Joshua versuchte ihn zu übertönen, und Pilar vermittelte zwischen den beiden. Aber es klang noch nicht so, als wäre ihre Anwesenheit erforderlich, und Arabella fiel es daher nicht schwer, das Ganze zu ignorieren. Dann aber hörte sie etwas, das ihre gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nahm: das Öffnen und Schließen der Briefkastenklappe, und das dumpfe Poltern, mit dem ein Stapel Post auf die Fußmatte fiel. Es klang so, als wären ein paar Kataloge dabei, und Arabella liebte Kataloge. Sie öffnete die Tür ihres Ankleidezimmers und ging so leise wie möglich die Treppe hinunter. Dabei notierte sie sich in Gedanken, dass sie unbedingt Bogdan bitten musste, mal zu schauen, ob man das Knarren der Stufen nicht irgendwie beheben konnte. Kataloge! Arabella bückte sich und hob die Broschüren von zwei verschiedenen Reiseveranstaltern auf – das war für den Fall, dass sie es endlich schaffte, ihren Mann zu überreden, während der Ferien im Februar nach Kenia zu fahren. Es gab ein paar langweilig aussehende Briefe, die an ihn adressiert waren, eine Kreditkartenabrechnung für sie selbst und eine Postkarte, auf der außer ihrer Hausnummer kein Adressat stand. Ihr erster Gedanke war, dass es sich um das spontane Angebot eines Immobilienmaklers handelte. Solche Angebote kamen ungefähr zweimal in der Woche, und sie genoss es, sich darüber aufzuregen. Denn eigentlich war das ja ein Kompliment, das man ihrem Haus und seiner Attraktivität machte. Es fiel ihr auf, dass die Postkarte mit einer Briefmarke für nachrangige Beförderung frankiert war; sie kannte niemanden, der solche Briefmarken benutzte. Auf der Rückseite stand ein gedruckter Text: » W IR W OLLEN W AS I HR H ABT .« Die Vorderseite war ein Foto ihrer Haustür.Es war wahrscheinlich eine von diesen »Viralen
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