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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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war immerhin ein Segen, dachte Rohinka. Um halb sechs Uhr morgens reichte ein Kind schon vollkommen.
    Heute war also alles wie immer. Und doch war alles ganz anders, denn heute war der Tag, an dem Mrs Kamal in ein Flugzeug zurück nach Lahore steigen würde. Usman würde mit ihr fahren. Das hatte die verschiedensten, sich überschneidenden Gründe: Er würde Mrs Kamal während der Reise zur Seite stehen (auch wenn sich Rohinka kaum jemanden vorstellen konnte, der Hilfe weniger nötig hatte als sie – und dennoch, ihrer angeblichen Gebrechlichkeit musste schließlich ab und zu Rechnung getragen werden); Usman selbst behauptete, er würde gerne »eine Weile in Lahore abhängen«, und seine Mutter hatte ihn so lange drangsaliert, bis er zustimmte, ein paar potentielle Heiratskandidatinnen kennenzulernen. Nun, wer weiß, vielleicht würde er ja jemanden finden. Usman war in letzter Zeit nicht mehr ganz der Alte gewesen. Er sagte zwar nicht mehr als sonst und interessierte sich nach wie vor nicht besonders für die Kinder, aber er wirkte nicht mehr so zornig und machte oft einen etwas gedankenverlorenen Eindruck. Er hatte seinen Bart gestutzt und ärgerte Ahmed auch nicht mehr damit, dass er so tat, als verkaufe er keinen Alkohol. Vielleicht war er ja einfach nur ein wenig erwachsener geworden.
    Kaum dass Fatima ins Zimmer gekommen war und sich neben das Bett gestellt hatte, tat Rohinka etwas, das ihre Tochter zutiefst erstaunte: Sie stand auf.
    »Mama!«, sagte Fatima. »Was machst du denn da!«
    »Mamaji reist heute ab«, sagte Rohinka. »Es gibt viel zu tun. Du kannst mir helfen.«
    »Soll ich gehen und sie wecken?«
    Trotz all ihrer Unermüdlichkeit, ihrer Kopf-durch-die-Wand-Mentalität und der kompromisslosen Art, mit der sie an das Leben heranging, hatte Fatima einen Heidenrespekt vor ihrer Großmutter (die, wie vorherzusehen war, nur Augen für Mohammed hatte). Fatima ging nie unaufgefordert in ihr Zimmer. Es war verlockend, Fatima dazu einzusetzen, Mrs Kamal aus dem Bett zu scheuchen; verlockend, aber wahrscheinlich keine so gute Idee. Es war gut möglich, dass Mrs Kamal, wenn sie auf die falsche Art geweckt wurde, den Tag mit sehr schlechter Laune beginnen und so allen bei ihrer Abreise noch die Stimmung verderben würde. Rohinka erlaubte es sich für einen kurzen Augenblick, daran zu denken, wie schön es sein würde, wenn ihr Zuhause wieder ihnen allein gehörte, wenn sie nicht mehr dieses Gefühl haben mussten, dass sich ein Fremder darin eingenistet hat. Es würde niemanden mehr geben, dem man auf seinen mitternächtlichen Toilettenbesuchen begegnen könnte, vor dem man seine Anti-Baby-Pille verstecken musste, keine zusätzliche Person, für die man kochen, spülen und die Wäsche machen musste. Es würde schön sein, Mohammed wieder in seinem eigenen Zimmer schlafen zu lassen, schön, das Haus wieder für sich zu haben. Normalität war ihr noch nie so reizvoll erschienen. Nur wir vier, dachte sie – und schon allein der Gedanke daran fühlte sich so an, als würde man genüsslich und erleichtert ausatmen.
    »Am besten bleibst du bei mir. Oder geh nach unten und schau mal, was Papa so treibt.«
    Fatima nickte mit ernstem Gesicht: Sie hatten einen Auftrag. Sie kroch auf der Bettseite ihres Vaters unter die Decke.
    Anderthalb Stunden später saßen sie alle in der Küche und waren bereit für die Abfahrt. Sogar Shahid war da, dem man unter den gegebenen Umständen wohl verziehen hätte, wenn er auf den Abschied verzichtet hätte, um stattdessen auszuschlafen. Es war jetzt drei Tage her, dass man ihn aus der Haft entlassen hatte, und ihm war immer noch ganz schwindelig vor Glück. Das zeigte erhauptsächlich dadurch, dass er einfach nicht aufhören konnte zu reden. Er hatte im Gefängnis abgenommen, fünf oder sechs Kilo, und sah nun, frisch rasiert und mit dem neuen Haarschnitt, den er sich sofort nach seiner Entlassung hatte machen lassen, viel attraktiver aus als vorher. Man konnte fast meinen, er sei ein Filmstar, ein schlanker, dunkler, gut aussehender Fremder mit geheimnisvoller Vergangenheit. Wäre er statt seines Bruders nach Lahore gereist, dann hätte Rohinka darauf gewettet, dass er nicht unverheiratet zurückgekehrt wäre. Im Augenblick saß er neben Fatima und versuchte, sie dazu zu bringen, ihre Frühstücksflocken zu essen. Er tat so, als stopfte er sich selbst riesige Mengen davon in den Mund, und ließ dann den Löffel in Richtung ihres Mundes schweben, während er Flugzeuggeräusche

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