Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
Carlyle, ist einer von denen, die sich in St. Jacobs ein Haus gekauft haben und nun in ihrer Pension den Großteil des Jahres hier verbringen.
„Wie sehen sie das Pleasures?“
„Sie brauchen es nicht. Sie sind froh, dass nicht die Best Bay verbaut worden ist, der Rest ist ihnen ziemlich egal. Kaum jemand hat Lust, sich einzumischen.“
Wir liefern Carlyles Mutter in einem rosa Haus am Rand von Oldtown ab, Vorstadtsiedlung, der Garten ist voller Blumen und Sträucher. Ich sehe Früchte, die mir völlig neu sind: rot und prall und mit nichts vergleichbar, sie wachsen auf niedrigen Bäumen, die am ehesten Magnolien gleichen.
„Custard Apple“, sagt Rosemary und sucht mir sorgfältig eine besonders reife Frucht aus. Das, was an einem anderen Busch hängt, kenne ich, aber ich mag es nicht besonders: Starfruits, Sternfrüchte. Ein saures Zeug, allerdings toll zum Garnieren. Carlyle deutet meinen Blick falsch und pflückt für mich und sich eine.
„Einfach hineinbeißen, sie ist wunderbar erfrischend“, rät er.
Ich tue es und mache mich auf den pektinsauren Geschmack gefasst, stattdessen: wunderbarer Saft, ein Aroma irgendwo zwischen Zitrus und Ananas und weißem Pfirsich, aber noch viel besser.
Rosemary hat unterdessen verschiedene Früchte zusammengesammelt und in eine schwarze Plastiktüte gesteckt. „Das bekommen Sie im Hotel nicht“, sagt sie und überreicht mir den Sack.
Wieder eine sternenklare Nacht, Carlyle fährt ruhig und sicher.
„Jetzt muss es am Strand der Best Bay wunderschön sein“, sage ich.
Er nickt. „Als ich noch ein Kind war, haben wir ab und zu am Strand übernachtet. Meine Mutter war die Erste, die eine Strandbar eröffnet hat. Damals nur mit zwei Holzkohlengrills, die ihr ein Onkel aus Ölfässern gebastelt hat, es sind dieselben, die heute noch in Betrieb sind, und ein paar Thermosflaschen mit Getränken. Wirhaben in einer Hütte am Hafen von Oldtown gewohnt, sie war kaum größer als die Bar heute. Aber so haben damals viele Leute gelebt, in einer Gegend wie dieser ist das auch nicht so schlimm wie in Boston, oder in … Österreich. Außerdem: Wer nicht viel hat, dem kann beim nächsten großen Hurrikan auch nicht viel verloren gehen. – Wissen Sie was? Wir fahren zurück an den Strand, ich habe eine Decke im Auto und ich weiß, dass Mutter in der Bar immer ein paar Flaschen zurücklässt, auch wenn sie das meiste Zeug Nacht für Nacht heimschleppt.“
Wir sitzen auf seiner alten Autodecke am Strand und schauen in den Himmel. Hier leuchten die Sterne noch intensiver, warm und bewohnt erscheint die Weite über uns, eine große Decke, die uns schützt, schwerelos und unendlich. Das Meer scheint mit ihr zu spielen, zu reden. Silbern und schwarz erzählt es vom Leben. Ich räuspere mich. „Hier sind die Sterne noch heller“, sage ich.
Carlyle nickt. „Auch dafür gibt es eine ganz vernünftige Erklärung: Wir sind weit von künstlichen Lichtquellen entfernt.“
„Man muss nicht immer vernünftig denken“, erwidere ich. Neben mir steht ein Glas mit einer Mischung aus warmem Cola, Kokosnussrum und Orangensaft. Mag sein, dass ich so etwas sonst wegkippen würde, momentan schmeckt es wunderbar – karibisch.
„Mira ist ein sehr schöner Name.“ Er spricht ihn englisch aus. „Mira – der Anfang von Miracle, mein Wunder.“
Etwas ähnlich Poetisches fällt mir zu Thomas nicht ein, also sage ich lieber nichts. Obwohl zehn, zwanzig Zentimeter zwischen uns sind, kann ich seine Haut spüren. Mein Herz schlägt im Rhythmus der Wellen.
„Du bist schön im Licht der Sterne.“
Ich sehe ihn an und sage: „Du auch“, bevor mir bewusst wird, dass man das zu einem Mann nicht sagt, auch wenn man gerade dabei ist … Also fange ich an loszulegen: „Ich meine, du siehst wirklich gut aus, nicht nur im Sternenlicht, hast du gesehen, wie dich die Kanadierin … Auch wenn die schon mindestens sechzig oder so … Jedenfalls macht das wohl der Sport und …“
Er legt den Kopf zurück und lacht in den Himmel, lacht laut.
Er lacht mich aus. Kommt davon, Mira. Du bist auch zum Lachen, da auf der Decke mit dem möglichst attraktiv drapierten Wickelrock und dem warmen Kokosnussrum mit Limonade. Was hast du gedacht?
Dann hört er zu lachen auf, sieht mich an, als wollte er nie mehr aufhören damit, nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich, zuerst leicht und vorsichtig, dann intensiver, voll vom Feuer der untergehenden Sonne und ihres grünen Lichts und der Kraft der Sterne.
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