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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Baumwollhemd, kein Make-up und kein Schmuck – verliehen ihr genau jene Art von Einfachheit, die Billy momentan gut gebrauchen konnte. Die beiden standen einander barfuß gegenüber und schauten sich in die Augen, während er jede ihrer Bewegungen nachahmte. Allem Anschein nach versuchte er wirklich, sein PTBS in den Griff zu kriegen. Ich hatte also mit meinen Worten, die ich La-a und George am vergangenen Tag an den Kopf geworfen hatte, recht behalten: Billy stellte sich seinen Problemen – und damit war das Thema erledigt.
    Ich setzte mich auf die Decke, schloss die Augen und spürte ganz deutlich, wie sich Erleichterung in mir breitmachte.
    Eine gute Stunde später schlenderte ich locker und entspannt durch die sonnendurchflutete Lobby und lobte mich im Nachhinein für meine Entscheidung, zum Unterricht zu gehen.
    »Karin!«
    Ich drehte mich um und erblickte Billy und die Frau, die ihn unterrichtet hatte; beide trugen nun Mantel und Mütze. »Ich war im Yogastudio und habe euch gesehen.«
    »Das hier ist Mary Salter, meine Tai-Chi-Lehrerin.«
    »Ich bin Karin.« Ich reichte ihr die Hand. Ihre war weich und trocken; ich mochte die Frau sofort. Jetzt, wo wir uns direkt gegenüberstanden, wirkte sie größer als aus der Ferne, obwohl man sie nicht als Riesin bezeichnen konnte. Sie hatte ein angenehmes Lächeln, wirkte selbstsicher und geerdet. Dunkle Schatten rahmten ihre warmen braunen Augen ein und ließen sie älter erscheinen, als sie wahrscheinlich war. Ungeachtet dessen, dass sie weder jung noch besonders schön war, konnte man sie durchaus als attraktiv bezeichnen.
    »Erste Stunde?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Er hat sich gut gemacht«, antwortete Mary und lächelte Billy an.
    »Frisch gewagt ist halb gewonnen«, meinte ich.
    Billy verdrehte die Augen. »Stickst du das auf ein Kissen, oder soll ich das selbst tun?«
    »Das übernehme ich!« Mary lachte und zog sich ihren grünen Strickschal bis ans Kinn, als wir hintereinander durch die Drehtür nach draußen in die Kälte traten. »War nett, Sie kennenzulernen. Ich muss jetzt weiter ... Ich habe drei Jobs und bin immer in Eile.« Sie winkte zum Abschied und bog in die Court Street ein. Billy und ich gingen in die entgegengesetzte Richtung zur Kreuzung Atlantic Avenue und Boerum Place, wo sich der Verkehr vor der Brooklyn Bridge staute.
    »Ihr beide passt gut zusammen.« Insgeheim war ich der festen Überzeugung, Billy täte sich mit einer neuen Lebensgefährtin leichter. Beziehungsscheue Menschen erregten häufig Argwohn. Mary war großartig. Besser hätte Billy es gar nicht treffen können.
    »Karin!«, empörte sich Billy kopfschüttelnd, aber er grinste auch.
    »Sie ist toll. Bist du blind?«
    »Um ehrlich zu sein – ja.«
    »So habe ich es nicht gemeint, und außerdem kannst du mit einem Auge sehen.«
    »Karin, sie ist alleinerziehend und ...«
    »Und?«
    »Lesbisch.«
    »Woher willst du das wissen. Du kennst sie erst seit kurzem.«
    »Sie hat es mir gesagt.«
    »Oh.«
    »Oh«, äffte er mich nach und kicherte. »Wir sehen uns, wenn ihr aus Kalifornien zurück seid.«
    An der Ecke gab er mir einen Kuss auf die Wange und lief weiter, während ich wartete, bis die Ampel auf Grün schaltete. Ich drehte mich absichtlich nicht um, denn ich kam mir wie ein Idiot vor und musste mir zudem eingestehen, wie dumm es war, die beiden verkuppeln zu wollen. In Wahrheit ging es mir nur um mein persönliches Wohlbefinden: Ich wünschte mir einen normalen, glücklichen und unbeschwerten Billy. Und ich drehte mich auch nicht um, weil es mir unmöglich war, etwas anderes in ihm zu sehen als den guten, alten Billy.
    * * *
    Am ersten Weihnachtsfeiertag war das Wetter in Venice Beach wunderbar warm. Von Jons und Andreas Haus in der Appleby Street konnte man den Strand, wo unsere Kinder auf dem Spielplatz tollten oder sich im Wasser vergnügten, gut zu Fuß erreichen. Die achtjährige Susanna, der fünfjährige David und Ben, der bald vier wurde, schafften es nicht, auch nur eine Minute ruhig zu sitzen. Ich lag auf einem verwaschenen, gestreiften Handtuch neben meiner Mutter im Sand, die kerzengerade auf einem Stuhl saß und einen großen Strohhut trug. Der lange Flug hatte ihrem Rücken stark zugesetzt. Andrea lümmelte sich auf einem Liegestuhl und achtete darauf, dass sich ihr Oberkörper unter dem Schirm und die gut gebräunten Waden in der Sonne befanden. Sie war gerade zum dritten Mal schwanger und hatte ihren runden, zwischen dem Bikinioberteil

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