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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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die Dekkers auf dem Gewissen? Und Chali brachte es auch nicht zurück.
    Doch selbst wenn Antonio Neng die Dekkers umgebracht hatte und Patrick Scott die Prostituierten – wer war dann für Chalis Tod verantwortlich? Schließlich hatte sie ihren Körper nicht verkauft; und dennoch war sie wie all die anderen gestorben. Wie passte sie in dieses Puzzle? Ihr Tod ergab keinen Sinn.
    Ratlos, aufgewühlt und untröstlich rutschte ich an der Küchenwand zu Boden, bettete den Kopf auf die Knie, schlang die Arme um die Beine und weinte.
    Nach einer ganzen Weile gelang es mir, mich trotz meiner Erschöpfung zu erheben. Auf den Holzdielen in einer Ecke funkelte der Ring, der Detective Vargas gehörte. Ich hob ihn auf und steckte ihn in meine Hosentasche.
    Nachdem ich andere Musik aufgelegt hatte, stürzte ich mich wieder auf die Arbeit. Die Zeit verging wie im Flug. Mac hatte Star gebeten, Ben aus dem Kindergarten abzuholen, was mich leicht beunruhigte. Tapfer unterdrückte ich meine Bedenken. Begleitet von Vivaldis Vier Jahreszeiten, sortierte ich aus, packte Chalis Sachen in Tüten, die für den Müll oder für einen Secondhandladen bestimmt waren. Am Ende blieb von ihr noch der Duft von Sandelholz, der den metallischen Blutgeruch verdeckte.
    In allerletzter Minute warf ich noch die Abbey Road-CD und das halb volle Schächtelchen mit den Räucherkegeln in eine Tüte, verließ das Apartment und schloss die Haustür zu. Von nun an existierte ihr Heim nur noch in der Erinnerung von den Menschen, die sie gekannt hatten.
    * * *
    Das 72. Polizeirevier war nur ein paar Blocks entfernt, und so beschloss ich, Detective Vargas einen Besuch abzustatten und ihm den Ring zu bringen. Dies machte weitaus weniger Umstände, als ihn in einen Briefumschlag zu stecken und mit der Post zu versenden oder mit Vargas telefonisch einen Abholtermin zu vereinbaren. Für den Fall, dass er nicht da war, konnte ich das Schmuckstück einem seiner Kollegen aushändigen.
    Vor dem Revier, das sich in einem gedrungenen zweistöckigen Gebäude an der Kreuzung 4th Avenue und 29th Street befand, parkten mehrere blau-weiße Streifenwagen schräg zur Bordsteinkante, was das Wegfahren erleichterte. Drinnen herrschte die gleiche Atmosphäre wie auf vielen Dienststellen: Die Luft roch abgestanden, jeder Gegenstand war von einer dünnen Staubschicht überzogen, und überall schwirrten Polizisten herum. Und dann war da noch dieses unerträgliche Wechselspiel zwischen lähmender Langeweile und hektischer Aktivität. Bei meinem Eintreffen führten zwei uniformierte Beamte gerade einen blutjungen Latino mit zartem Bartflaum auf der Oberlippe in Handschellen in eine nahegelegene Arrestzelle. Ich ging zum Empfang und wartete, bis jemand von mir Notiz nahm.
    Der Junge warf mir einen Blick zu. »Sind Sie Anwältin?«, fragte er, als handle es sich um zwei Worte.
    »Nein.«
    »Bulle?«, knurrte er.
    »Gast.«
    Endlich bemerkte mich der diensthabende Polizist. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, telefonierte er kurz und stellte mir dann noch ein paar Fragen. Dann schickte er mich die Treppe neben dem Foyer hoch und trug mir auf, in der zweiten Etage den linken Flur hinunterzugehen.
    Ich landete in einer Art Besprechungsraum mit niedriger Decke und einem Tisch in der Mitte, der Bilder von übernächtigten Polizisten heraufbeschwor, die an unlösbaren Fällen saßen. Auf den an den Wänden aufgehängten Fotos waren Chalis Wohnung und ihr aufgedunsener, aufgeschlitzter Körper abgelichtet. Entsetzt wandte ich mich ab. So wollte ich sie auf keinen Fall in Erinnerung behalten. Auch ohne diese Gedächtnisstütze hatte ich große Mühe, diese Bilder zu vergessen. Ich blickte in eine Ecke, wo eine Staffelei mit einer abwischbaren Tafel stand, auf der jemand alle zum Fall gehörigen Details notiert hatte.
    Erst danach bemerkte ich George Vargas am anderen Ende des Tisches, der von meinem Erscheinen sichtlich überrascht war und nun aufstand. Neben ihm saß eine Frau, bei der es sich, wie ich erst bei genauerem Hinsehen erkannte, um La-a handelte.
    »Was treibst du denn hier?«, fragte ich sie verblüfft.
    »Das fragst du mich?« Sie erhob sich ebenfalls und schlug nun einen freundlicheren Ton an: »Ich wusste nicht, dass du kommst.«
    George kam um den Tisch herum und lächelte verkrampft. »Karin ...«
    »Schaeffer«, erinnerte ich ihn.
    »Was führt Sie her?«
    Ich zog den Ring aus der Hosentasche. »Den habe ich in Chalis Wohnung gefunden. Wie ich

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