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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass ein Zusammenhang zwischen Chalis Mord und den Ereignissen auf der Nevins Street existierte. Da gab es Überschneidungen, Gemeinsamkeiten: tote Prostituierte, die im Kindesalter von der Bildfläche verschwanden, die erst elfjährige Abby die unweit eines Tatortes halbtot aufgefunden wurde, die ermordete Chali, die Kinderbraut aus einem Land, in dem Menschenhandel an der Tagesordnung war, und jetzt Dathi, die nun unter meiner Obhut stand. All diese Puzzleteilchen ergaben zusammengesetzt ein neues und erschreckendes Bild. Mädchen verschwanden und tauchten Jahre später wieder auf, wobei das, was ihnen widerfahren war, sie grundlegend verändert hatte. Mit so etwas rechnete man in der Dritten Welt. Aber hier? An der kultivierten Ostküste Nordamerikas? In einem der wohlhabendsten Viertel New Yorks? Der Gedanke verwirrte mich.
    Und dennoch ... Nachbarn, Freunde, Priester, Perverse – all die Menschen, die mit dem Tod in Berührung kamen – wandelten am Rand der Finsternis. Meine Aufgabe war es, Licht ins Dunkel zu bringen, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken, denn irgendwann würde Dathi bohrende Fragen stellen, und ich musste ihr dann Rede und Antwort stehen. Nun, da sie Teil meiner Familie – meines Lebens – war, hatte ich die Pflicht, den Mörder ihrer Mutter aufzuspüren. Dabei ging es nicht nur um Dathis Seelenheil. Nein, ich musste auch dem Ungeheuer Einhalt gebieten, das diese unschuldigen Mädchen auf dem Gewissen hatte.
    * * *
    Kaum hatte Dathi im Flur ihre Jacke aufgehängt und die Turnschuhe ausgezogen, bat ich sie, sich in ihren Facebook-Account einzuloggen.
    »Ja, super!«, erwiderte sie – ein wenig zu unbefangen für meinen Geschmack. Irgendwie konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass sie erschöpfter war, als sie zugab. Hatte sie einen harten Schultag hinter sich? Es betrübte mich, dass ich ihr das Leben nicht leichter machen konnte.
    Sie setzte sich mit meinem Notebook an den Küchentisch und rief mich kurz darauf zu sich.
    Auf dem Bildschirm war eine Nahaufnahme von Abby zu sehen, die mit den Fingern an ihren Wangen zog. Auf dem Bild wirkte ihr Haar noch heller als in der Realität.
    »Witziges Foto«, meinte ich.
    »Sie hat es wahrscheinlich selbst gemacht, mit ihrer Webcam.«
    Ich schaute mir die winzigen Fotos ihrer unzähligen Freunde an, die gerade online waren. Die meisten Schnappschüsse waren so albern wie die von Abby; die Mienen der Erwachsenen, die sich locker gaben, wirkten allerdings einstudiert.
    »Du liebe Zeit, sie kennt wirklich sehr viele unterschiedliche Leute.« Dass eine so große Zahl von ihren Freunden erwachsen war, befremdete mich. War das normal für ein Kind, das im Netz Kontakte pflegte? Mein Bauch verneinte diese Frage. Dass einige ihrer Freunde Lehrer oder Freunde ihrer Eltern waren, verwunderte kaum – doch welche Erklärung gab es für die vielen erwachsenen Männer?
    »Siehst du, die letzte Statusmeldung stammt von dem Tag, an dem sich der Unfall ereignete.« Dathi tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. Auf dem Fingernagel leuchtete ein purpurner Nagellackklecks, der heute Morgen noch nicht da gewesen war. Als sie mitbekam, dass ich davon Notiz genommen hatte, hob sie demonstrativ beide Hände: zehn Nägel, zehn rote Tupfer. Sie lächelte verschmitzt. »Die hat Tiffany in der Mittagspause gemacht.«
    »Sieht gut aus«, log ich. Diese Tupfer waren weder schön noch unschön, sondern einfach nur albern. Unter was für einem Druck stand Dathi, und wie sehr machte ihr das zu schaffen?
    Sie klickte ihr Profil an, wo sie ein Foto von sich und ihrer Mutter eingestellt hatte, das in Indien aufgenommen worden war. Wie Dathi, die auf dem Bild noch klein war, trug auch Chali einen orangefarbenen Sari und lachte vergnügt. Die Aufnahme stimmte mich traurig. Dann klickte Dathi das kleine Erde-Symbol in der Toolbar an, woraufhin eine Liste mit Nachrichten angezeigt wurde.
    »Siehst du das? Gestern Abend hat sie meine Freundschaftsanfrage akzeptiert.«
    Ich nickte. »Gut«, log ich. Meines Erachtens war es vollkommen unmöglich, dass Abby geantwortet hatte, es sei denn, sie versteckte irgendwo in ihrem Krankenhauszimmer einen Laptop, oder einer ihrer Besucher hatte ihr sein Notebook oder ein Smartphone geliehen.
    Doch all das ergab keinen Sinn, denn im Moment erlaubte Abbys Zustand derlei Aktivitäten überhaupt nicht.
    »Ich würde sie sehr gern kennenlernen«, verkündete Dathi.
    Ein Blick auf sie verriet, wie einsam

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