Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
fort, als er Karlos enttäuschten Blick zum verwaisten Zapfhahn bemerkte.
„Harry ist in der Küche“, verkündete er, „er hat ein Irish Stew gekocht und wir haben beschlossen, es zu probieren.“
Er deutete stolz mit der Linken vor sich auf den Tresen. Zwei Pint Guinness, beide nur noch halbvoll, standen dort.
„Da, wir haben uns gleich mal das passende Getränk dazu bestellt.“
Karlo hatte sich schon gewundert. Das ältliche Pärchen trank eigentlich traditionell jeden Tag sein gewohntes Gedeck: türkischen Rotwein, dazu ein Gläschen Fernet Branca auf Eis. Heute jedoch schien man eher irischen Traditionen zu huldigen. Er schnupperte vorsichtig und schluckte schwer, ein leichtes Würgen stellte sich ein, als er an Harrys Kochkünste dachte und er hätte urplötzlich gerne einen doppelten Jameson vor sich stehen gehabt.
Gegen das Fett in der Luft.
Alter Hammel, identifizierte er die Duftstoffe, die seine Nase beleidigten … ja genau, das war es, was hier zur Decke stank. Den momentan noch in der Flasche wartenden Fernet Branca würden die beiden nach dem Essen bitter nötig haben.
„Mutig, mutig“, murmelte Karlo leise vor sich hin. „Na prima, da wünsch ich euch schon mal guten Appetit“, setzte er etwas lauter hinzu, als er Gretas fragenden Blick bemerkte.
Greta wollte sich schon höflich für diese guten Wünsche bedanken, als die Eingangstür aufschwang und ein Mann in den Gastraum trat. Karlo schien zuerst überrascht, dann aber sichtlich erfreut.
„He, Tobias, wie schön, das wird aber Zeit, dass man dich mal wieder sieht!“
Er war augenblicklich vom Barhocker geglitten und zwei Schritte auf den neuen Gast zugegangen.
Tobias Kaletzke war vor einem Dreivierteljahr nach Fechenheim gezogen. Zu dieser Zeit entwickelte er sich zu einem oft und gern gesehenen Gast in der Bluesmühle. Als Karlo eines Abends erfuhr, dass Kaletzke sich Eigentümer einer MZ nannte, gab es noch mehr gemeinsamen Gesprächsstoff. Kölner hatte nämlich schon vor einiger Zeit von Wolfhard Kuhl ein MZ-Gespann als Dauerleihgabe erhalten, um – abseits seiner Fahrradleidenschaft – einigermaßen mobil zu sein. In der Folge war Tobias auch das ein oder andere Mal mit seinem geliebten alten DDR-Kraftrad zum Motorradstammtisch im Garten bei Kuhl und seinen Freunden aufgetaucht. Die krausen, dunkelblonden Haare des netten und freundlichen Mannes wurden an der Stirn schon erkennbar schütter, verliehen ihm aber gleichwohl ein fast jungenhaftes Aussehen. Der drahtige Mittdreißiger war etwas kleiner als Karlo, einsfünfundsiebzig vielleicht.
Er ging an Karlo vorbei und gab ihm dabei einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken. Einen Augenblick später saßen die beiden nebeneinander am Tresen.
Aus den Augenwinkeln sah Karlo Harry Weber mit einem Tablett hinter die Theke schlüpfen. Zwei dampfende Teller standen darauf und der Geruch nach altem Hammelfett verstärkte sich.
„Das riecht ja toll, Harry. Hast du wieder ein irisches Spezialrezept ausgegraben?“
Karlo log, dass sich die Balken bogen. Er wusste selbst nicht genau, ob es reine Freundlichkeit oder eine Art Häme war, die ihn bewog, Harry dergestalt Wasser auf die kulinarische Mühle zu gießen. Als er in Harry Webers erfreut aufleuchtende Augen sah, wusste Kölner, dass er einen großen Fehler gemacht hatte.
„Man tut, was man kann“, gab der Gelobte selbstbewusst zurück. „Willst du auch eine Portion? Ich habe genug davon gekocht!“
Karlo schoss der Schreck in die Glieder.
„Oh, äh, neinneinnein, ich, äh, ich habe nicht viel Geld dabei, und ich, ja ich wollte eigentlich nur schnell ein Bier trinken …“
„Du bist doch sonst nicht so zimperlich, wenns ums Anschreiben geht“, dröhnte der korpulente Wirt leutselig, „aber sei es drum, ich spendier dir eine Portion, was sagst du dazu?“
In diesem Moment registrierte er Tobias.
„Schau mal an, der Tobias! Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt? Schön, dich mal wieder zu sehen. Moment, bin gleich wieder da.“
Bevor der entsetzte Karlo reagieren konnte, war Harry auch schon in der Küche verschwunden.
Tobias Kaletzke fing an zu kichern.
„Lach nicht so fies, Mann, Tobias, überleg dir lieber eine Ausrede für mich! Ich glaub, ich verschwinde lieber …“
Prüfend lenkte er seinen Blick zu Fritz und Greta, die mit gequältem Gesicht in ihren Tellern herumstocherten. Als er zurück zu Tobias schaute, sah er dessen Augen in wilder Panik weit aufgerissen. Einen Augenblick später
Weitere Kostenlose Bücher