Karma-Attacke (German Edition)
an ihrem Kinn herunter auf ihren gewaltigen Busen.
«Ja, Uta, es gibt andere Welten. Du musst nicht auf Thara bleiben. Du kannst auch auf die Erde gehen, zu den Menschen.»
Vivien fragte mit piepsiger Stimme: «Gibt es da keine Hillrucs?»
Professor Ullrich antwortete nicht sofort. Sanft berührte er mit seinen Fingerspitzen Viviens Gesicht. Er wollte jetzt nichts Falsches sagen. Lüge und Therapie passten für ihn nicht gut zusammen. Die Klienten sollten spüren, dass er authentisch war. Reden, handeln und denken sollten eine Einheit bilden. So konnten sie wirklich Vertrauen zu ihm fassen. Kollegen, Krankenkassen, Gutachter - sie alle waren für ihn nicht wert, die Wahrheit zu erfahren. Seine Klienten auf jeden Fall. Vivien ganz im Besonderen.
«Ich hoffe nicht. Ich weiß es aber nicht genau. Die Erde ist ein schöner Ort. Komm ruhig her und schau sie dir an.»
Viviens Körper erschlaffte. Jede Spannung schien daraus zu weichen.
«Ich werde jetzt langsam bis fünf zählen. Wenn ich bei fünf bin, wirst du entspannt und ausgeruht wieder im Hier und Jetzt ankommen. Du bist in der Klinik im Teeraum. Bei dir ist die gute Marga, bei dir ist Mikey, und ich bin auch bei dir. Professor Ullrich.
Eins. Ja, atme tief durch.
Zwei. Hab keine Angst. Es wird alles gut werden.
Drei. Du wirst dich gleich an alles erinnern.»
Marga schaute ihn fasziniert und gleichzeitig erschrocken an. Er könnte ihr doch auch sagen, dass sie sich an nichts erinnern sollte. Warum tat er es nicht? Warum ersparte er es ihr nicht? Sie unterdrückte den aufkeimenden Zweifel an seiner Kompetenz sofort. Er würde schon wissen, was er tat. Für Marga war er jetzt ein großer Heiler.
«Vier. Sorgen und Ängste aus deinem früheren Leben werden dich nicht ins Jetzt begleiten. Du hast es gleich geschafft und bist wieder hier bei uns.
Fünf.»
Am liebsten hätte Marga Beifall geklatscht, als Vivien nun die geröteten Augen öffnete und sich umschaute. Doch sie tat es nicht. Sie war viel zu ergriffen.
Vivien stand auf. Sie taumelte noch ein bisschen. Der Professor stützte sie.
Er nickte Marga dankbar zu und deutete auf Mikey Schröder. «Horst soll sich um ihn kümmern.»
«Selbstverständlich», sagte Marga. Durch seine Anweisung fühlte sie sich wie geadelt. In einen höheren Dienstgrad erhoben. Er behandelte sie wie das Pflegepersonal. Erst jetzt wurde ihr klar, dass es nie anders gewesen war. Sie war für ihn nie einfach irgendeine Putzfrau gewesen. Er hatte mit ihr nicht anders geredet als mit den Ärzten, Schwestern und Pflegern. Er hatte allen immer klare und kurze Anweisungen gegeben.
Sie wollte hinter ihm her, ihm sagen, wie sehr sie ihn verehre, sich bedanken für die letzten Jahre, die sie in seiner Nähe hatte verbringen dürfen. Doch er verschwand mit Vivien in seinem Büro. Minuten später war sie ganz froh, nicht gesagt zu haben, was sie hatte sagen wollen. Sie hatte sich damit eine Menge Peinlichkeiten erspart, fand das dicke, vorsichtige Mädchen in ihr. Doch die, die dünn sein wollte, wild, voller Energie und Leidenschaft, die würde ihr diesen Fehler niemals verzeihen.
In seinem Büro nahm Professor Ullrich einen aufgeplatzten Tonembryo in die Hand und streichelte ihn sanft.
«Vivien», sagte er mit ernster Stimme, «wir haben ein Problem. Dein Vater und sein Anwalt wollen dich und mich trennen. Morgen um zwölf wollen sie dich abholen. Und ich fürchte, das Gesetz ist auf ihrer Seite.»
Vivien war erfreut und erschrocken zugleich. Einerseits hieß das, es gab einen Weg hier raus. Andererseits, wenn ihr so etwas wie gerade passierte, dann brauchte sie Professor Ullrich. Niemand anders konnte ihr da heraushelfen.
Sie griff nach seiner Hand, die den Embryo hielt, und schaute ihn an.
«Was sollen wir jetzt tun?», fragte sie. «Mein Vater weiß nichts von Thara. Er kann mir nicht helfen. Er…»
Professor Ullrichs Gesicht wurde sehr ernst. «Wer sagt dir, dass er nicht die Reinkarnation von Toi ist? Zurückgekommen, um dich zu holen.»
Vivien schien zu gefrieren. Ihre Füße wurden wieder zu Eisklumpen. Sie spürte die riesigen Eiszapfen über sich hängen. Sie war in den Schneebergen. Nichts konnte schlimmer sein.
«Mein Vater? Toi?»
«Als deine Seele deinen Körper auf Thara verlassen hat, ist sie vor Toi geflohen. Dein Körper hat seine Kinder ausgetragen. Es ist eine üble karmische Verstrickung. Er ist auf die Erde zurückgekommen, um mit deiner Mutter zusammen dich zu zeugen. Dann hat er deine Mutter getötet,
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