Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
Vom Netzwerk:
Karten gezinkt«, schnaubt Mr Smith zornig. »Reiner Schwindel.«
    Dr. Van Ripple tippt auf seinen Hut und zieht darunter einen Frosch hervor. Der Frosch hüpft dem sehr erschrockenen Mr Smith auf die Schulter.
    »Ahh, schleimiges Biest!« Der Fotograf springt so hastig zurück, dass er dabei fast seinen Tisch umwirft. Die Leute lachen.
    »Oje«, sagt Dr. Van Ripple. »Vielleicht sollten wir uns woanders hinstellen.«
    Der Doktor humpelt voraus und wir folgen ihm, vorbei an anderen Schaustellern: Ein bemalter Türkenkopf sagt aus seinem mechanischen Mund die Zukunft voraus; eine Tänzerin balanciert eine Riesenschlange auf ihren Schultern; ein Mann, der einen ausgestopften Vogel hält, posaunt die Wunder eines wandernden naturgeschichtlichen Museums aus. Ich erspähe sogar Madame Romanoff alias Sally Carny, die eine spiritistische Sitzung abhält. Ich habe diese falsche Geisterbeschwörerin einmal zufällig ins Magische Reich mitgenommen. Unsere Augen begegnen sich und Sally bricht die Séance abrupt ab.
    Vor einer Osiris-Statue bleibt Dr. Van Ripple stehen, um sich mit einem Taschentuch die Stirn zu wischen. »Unser Geisterfotograf ist offensichtlich alles andere als ein Meisterfotograf.«
    »Ihr Kartentrick war sehr eindrucksvoll«, sagt Ann.
    »Sie sind zu freundlich. Erlauben Sie mir, mich in aller Form vorzustellen. Dr. Theodore Van Ripple, Meisterillusionist, Gelehrter und Gentleman, zu Ihren Diensten.«
    »Sehr erfreut. Gemma Dowd«, sage ich, den Mädchennamen meiner Mutter verwendend. Ann hält an »Nan Washbrad« fest, während Felicity zu »Miss Anthrope« wird.
    »Dr. Van Ripple, ich erinnere mich, von Ihnen gehört zu haben«, beginne ich. »Ich glaube, meine Mutter hat eine Ihrer Vorführungen besucht.«
    Seine Augen funkeln interessiert. »Ah! Hier in London? Oder war es vielleicht in Wien oder Paris? Ich bin sowohl vor Prinzen und Prinzessinnen als auch vor dem einfachen Volk aufgetreten.«
    »Es war hier in London, da bin ich mir sicher«, antworte ich. »Ja, sie sagte, es sei eine ganz wunderbare Vorstellung gewesen. Sie habe mit offenem Mund über Ihre Kunststücke gestaunt.«
    Der Doktor sonnt sich geradezu in der Schmeichelei. »Ausgezeichnet! Ganz ausgezeichnet! Sagen Sie mir, welche Illusion hat ihr besser gefallen – die verschwundene Puppe oder das Glas mit rubinrotem Rauch?«
    »Ah … ja, äh, ich glaube, sie war von beiden begeistert.«
    »Das sind meine Spezialitäten. Wie wundervoll!« Er reckt suchend den Hals. »Und ist Ihre liebe Mutter heute Nachmittag hier bei Ihnen?«
    »Leider nein«, sage ich. »Ich weiß noch, dass sie sagte, es habe eine Illusion gegeben, die sie von allen am allerspannendsten fand. Und zwar eine, wo eine hübsche Frau in Trance versetzt und dazu gebracht wurde, auf einer Schiefertafel zu schreiben.«
    Dr. Van Ripple betrachtet mich argwöhnisch. Seine Stimme nimmt einen kalten Ton an. »Die Illusion, von der Sie sprechen, gehörte meiner Assistentin. Sie war eine Art Medium. Ich führe diesen Trick nicht mehr vor – nicht mehr seit ihrem tragischen Verschwinden vor drei Jahren.«
    »Sie ist während der Vorstellung verschwunden?«, fragt Ann atemlos.
    »Gott behüte, nein«, erwidert Dr. Van Ripple. Er plustert sich auf und ich stelle mir vor, dass er zu seiner besten Zeit ein rechter Geck war.
    »Was ist mit ihr geschehen?«, hake ich nach.
    »Meine Mitarbeiter meinten, sie sei mit einem Matrosen durchgebrannt oder vielleicht zum Zirkus gegangen.« Er schüttelt den Kopf. »Aber ich habe eine andere Vermutung. Sie behauptete nämlich, sie werde von dunklen Mächten verfolgt. Ich bin sicher, dass sie ermordet wurde.«
    »Ermordet!«, sagen wir wie aus einem Mund. Dr. Van Ripple ist keiner, der sich ein Publikum, wenn es einmal angebissen hat, entgehen lässt – auch wenn es sich um eine ziemlich delikate Geschichte zu handeln scheint.
    »In der Tat. Sie war eine Frau voller Geheimnisse und hat sich, wie ich leider sagen muss, als äußerst unzuverlässig erwiesen. Sie kam zu mir, als sie ein Mädchen von gerade zwanzig Jahren war, und ich wusste wenig über ihr Leben, außer dass sie eine Waise war und einige Zeit in einem Internat verbracht hatte.«
    »Hat sie nicht über ihre Vergangenheit gesprochen?«, frage ich.
    »Das konnte sie nicht, liebe junge Dame, denn sie war stumm. Sie hatte eine bemerkenswerte Begabung zum Zeichnen und transzendentalen Schreiben.« Der Doktor nimmt eine Prise Schnupftabak aus einer Emaildose und niest in sein

Weitere Kostenlose Bücher