Kasey Michaels
gedrängt, doch dein Onkel oder deine Cousins müssen den Kapitän
überstimmt haben. Der einzige Mann, der gerettet werden konnte, erwähnte, dass
Frauen – nicht Damen – mit an Bord waren und reichlich Alkohol geflossen war.
Entschuldige meine Offenheit, aber George war immer ein loser Vogel. Ich frage
mich nur, warum der Duke sich auf die Fahrt einließ.“
„Die
Erklärung dazu sind doch wohl diese Frauen“, meinte Rafe, der wusste,
dass sein Onkel die holde Weiblichkeit geschätzt hatte, je freier von Moral die
Damen, desto besser, und seine Söhne hatten seinen Geschmack geteilt.
„Es muss
für Emmaline recht peinlich gewesen sein, das zu erfahren. Und für dich, es mir
zu erzählen.“
Gewollt
gleichgültig hob Charlotte die Schultern. Offensichtlich fand sie, er müsse
das erfahren. „Ich denke einfach nicht drüber nach. Sie sind tot. Man kann es
nicht ändern.“
„Stimmt.
Vermutlich ist es reines Glück, dass wir überhaupt Genaueres wissen. Ich hatte
keine Ahnung, dass einer von der Crew überlebt hat.“
„Keiner von
der Crew! Ein gewisser Mr Hobart, ein Gast. Er war mit deinem Onkel an Deck,
während George und Harold mit ihrer Gesellschaft in der Kabine waren, alle
grässlich seekrank. Während sie, viel zu spät, versuchten, doch noch zurück in
den Hafen einzulaufen, erfasste eine riesige Welle die Jacht und ließ sie
kentern. Laut diesem Hobart wurde dein Onkel von dem herumschwingenden Mast
getroffen. Es tut mir leid, Rafe.“
„Mir
auch“, entgegnete er wortkarg.
Inzwischen
waren sie auf den schmalen Pfad eingebogen, der zum Sägewerk führte. Aus den
Wäldern bezog Ashurst Hall einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Einkünfte,
und der verstorbene Duke hatte strikt darauf gesehen, dass der Wald nicht
ausbeuterisch bewirtschaftet wurde. Was immer man ihm nachsagen mochte, den
Besitz hatte er hervorragend verwaltet.
„Mr Hobart
wurde zur Trauerfeier geladen“, fuhr Charlotte fort, „doch er sah sich
gezwungen abzusagen, da er noch unter seinen Verletzungen litt. Emmaline hätte
sehr gern mit ihm gesprochen.“
„War der
Mann eigentlich ein Freund von George? Ich schätze, ich sollte selbst mit ihm
sprechen“, meinte Rafe, während er erstaunt zusah, wie aus allen
Richtungen Männer herbeigelaufen kamen und sich am Wegesrand aufstellten.
„Das weiß
ich nicht. Auch Emmaline hatte den Namen nie zuvor gehört. Aber deine Cousins
hatten einen ausgedehnten Bekanntenkreis. Ah, da ist ja der Verwalter!“,
erklärte sie, als sich ein Reiter näherte. „Er wurde erst nach deinem Fortgehen
eingestellt, weil Mr Willard in die Jahre kam und aufs Altenteil ging. Also
wunder dich nicht, dass du Mr Cummings nicht kennst.“
„Ja,
Madam“, sagte Rafe spöttisch. „Ah, da kommt mir ein Gedanke: Wäre es nicht
einfacher, wenn ich ihn entließe und dich einstellte, Ashurst Hall und mein
Leben gleich mit zu verwalten?“
Er glaubte
einen seltsamen Ausdruck in Charlottes schönen braunen Augen aufblitzen zu
sehen. Ärger? Nein. Ge kränktsein?
Auch nicht. Schuldbewusstsein? Aber nein, das doch bestimmt nicht.
„Ich will
dir nur helfen, Rafe“, sagte sie ruhig.
„Ja, ich
weiß; verzeih mir.“ Bittend griff er nach ihrer Hand. „Ohne dich wäre ich
verloren, das ist mir klar.“
Ihr Lächeln
wirkte ein wenig gezwungen. „Ach, lange wirst du mich nicht brauchen. Ich
vertraue voll und ganz darauf, dass du deine Stellung bald hervorragend
ausfüllen wirst. Denk dran, manche sind zur Größe geboren, manche erlangen
Größe und ...“
„... und
manchen wird Größe aufgezwungen. Ja, Charlie, ich kenne meinen Shakespeare. Hab
ihn genügend studiert, als ich hier, von meinem Onkel nur geduldet, leben
musste. Ich wurde nicht zu Größe
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