Kasey Michaels
Damit ergriff er ihre Hand und sie eilten zurück zu den
Pferden, wo er ihr auf ihre Stute half und dann selbst in den Sattel stieg.
Ganz kurz
überlegte er, ob sie weiterhin querfeldein reiten, den Weg über die Hügel nach
Malvern nehmen sollten, entschied sich aber letztendlich für den gebahnten Weg,
über den sie zügiger vorankommen würden, wenn er auch im Grunde kaum mehr als
ein Trampelpfad war.
Langsam,
zwischen Grasflächen, Buschwerk und Baumgruppen hindurch lenkten sie ihre
Tiere über den sich schlängelnden Pfad hinab ins Tal, immer wieder einmal
belohnt mit einem hübschen Ausblick auf Malvern Hall.
Als der
Pfad wieder einmal zwischen Schatten spendenden Bäumen verlief, schnaubte
Tanners Pferd unruhig, als witterte es etwas Unbekanntes. „Was ist, alter
Junge? Wir sind doch fast daheim“, murmelte er und klopfte dem Tier
beruhigend den Hals, doch der Hengst tänzelte immer noch.
Sofort um
Lydias Sicherheit besorgt, spähte Tanner angespannt ins Unterholz, weil er
vermutet, es könnte sich etwa ein Keiler
herumtreiben, obwohl sein Förster Sorge trug, das Wild aus der Umgebung der
Gebäude fernzuhalten.
Was er
jedoch entdeckte, war kein angrifflustiges Wildschwein, sondern etwas, das
sich überhaupt nicht bewegte. Blitzschnell beschloss er, so zu tun, als hätte
er gar nichts gesehen, bedeutete Lydia, ihn zu überholen, und hielt sich so,
dass sein Pferd den Blick auf das Gesträuch blockierte.
Doch Lydia
rief: „Stimmt etwas nicht, Tanner? Dein Pferd scheint mir ziemlich
aufgeregt.“
Er stellte
sich ihr in den Weg, und während er abstieg, sagte er: „Ich glaube, es gab
einen Unfall. Da drüben liegt jemand im Gebüsch.“
„Doch nicht
Justin?“, fragte sie erschreckt. „Er muss hier entlanggekommen sein, nicht
wahr?“
Da Tanner
fürchtete, sein Reittier könnte durchgehen, band er die Zügel rasch an einen
Ast. „Nein, nicht Justin. Selbst auf diese Entfernung würde ich ihn an seiner
Kleidung erkennen.“
„Warte, ich
komme mit dir.“
„Nein.“
Er schüttelte den Kopf. „Wer es auch ist, er rührt sich nicht.“
„Mein
Gott!“, rief sie entsetzt. Dann nickte sie. „Gut, ich bleibe hier. Aber
beeil dich.“
Eile jedoch
war nicht mehr vonnöten, wie Tanner feststellte, als er in das Gebüsch
eingedrungen war. Das da, am Boden, war Thomas Harburton, seine weit aufgerissenen
Augen starrten blicklos ins Nichts. Mit aufgeschlitzter Kehle lag er inmitten
seines verströmten Lebenssaftes. Kein Wunder, dass sich der Hengst derart
gebärdet hatte; er hatte das viele Blut gerochen.
„Tanner?
Wer ist es denn? Soll ich Hilfe holen?“
Mit seinem
Körper versuchte Tanner, den Anblick zu verdecken. „Äh
... es ist einer der Gutsarbeiter. Ihm ist nicht mehr zu helfen.
Bitte reite los und sag Justin, er möchte herkommen.“
„Justin?
Warum? Was ist hier los? Was sollte Justin hier tun?“
„Lydia, bitte, tu's
einfach. Und sag es sonst niemandem.“
„Aber ich
... also gut. Ich lasse dich nur ungern allein. Wirst du zurechtkommen?“
„Ja, keine
Sorge“, sagte er ruhig und wiederholte: „Keine Sorge“, obwohl er wusste,
dass das eine Lüge war.
Erst als er
hörte, wie Lydia sich auf Daisy entfernte, hockte er sich hin und betrachtete
die Leiche genauer. Auf dem Schlachtfeld hatte er unzählige Tote gesehen,
verstümmelt, zerfetzt oder scheinbar unverletzt, doch starr. Irgendwie war das
hier etwas anderes. Thomas Harburton war ein Verwandter, und er hielt keine
Waffe in der kalten Hand; wehrlos war er seinem Angreifer ausgesetzt gewesen.
Er war hier
an dieser Stelle gestorben, das bezeugte das viele Blut. Aber was hatte er hier
zu suchen gehabt? Generationen von Wanderern hatten diesen Pfad getreten, doch
Thomas mit seiner Behinderung wanderte nicht. Er ritt auch
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