Kasey Michaels
wundervollen Liebhaber. Und seinen letzten Zahn hat
er vermutlich schon vor zehn Jahren verloren.“
Lydia saß
sehr still, doch ihre Brust hob und senkte sich immer heftiger, so aufgewühlt
war sie. „Das bringt das Fass zum Überlaufen“, erklärte sie endlich,
sprang von seinem Schoß und ergriff seine Hand. „Kommst du mit mir?“
Wie ihre
Augen funkelten und ihre Wangen sich vor Empörung röteten! Anbetungswürdig!
„Wie könnte ich da Nein sagen!“, verkündete er, erhob sich und ließ sich
von ihr durch die Halle und bis zu Jasmines Zimmer führen. „Erlaube mir“,
sagte er und öffnete die Tür.
Ohne ihm zu
danken, rauschte Lydia an ihm vorbei in den Raum – ein deutlicher Beweis für
ihr Temperament, das er, wie er innerlich anmerkte, in ihrem zukünftigen
Zusammenleben besser nicht reizen sollte.
Jasmine saß
im Bett, ein silbernes Tablett auf den Knien, eine Kuchengabel in der Hand, die
nun wie eingefroren vor ihrem Mund schwebte. „Lydia? Tanner? Ist etwas
passiert? Bitte sagt, dass es nicht noch mehr schlimme Nachrichten gibt. Ich
schwöre, es würde mich umbringen.“
Während sie
noch sprach, marschierte Lydia resolut bis ans Bett. „Nicht mit diesem Teller
voller Erdbeertörtchen oder was du da hast, um deinen Mut zu stärken. Gib das
her!“
Staunend
sah Tanner, wie sie Jasmine die Gabel entriss, das Tablett wegnahm und ihm ohne
weitere Umstände in die Hand drückte. „Da, stell das weg! Und du, Jasmine, raus
aus dem Bett!“
Doch
Jasmine zog sich die Decke bis unters Kinn und schien in der Matratze versinken
zu wollen. „Nein! Du machst mir Angst. Mein Papa ist tot. Ermordet! Ich bin in
Trauer. Wie kannst du so gemein zu mir sein?“
„Ich zähle,
Jasmine“, drohte Lydia, die Hände in die Hüften gestemmt. „Eins ... zwei
... willst du etwa auf drei warten?“
Blitzartig
flog die Decke zurück, und Jasmine sprang so hastig aus dem Bett, dass sie
beinahe hingefallen wäre.
„Du gäbest
einen guten Feldwebel ab, Liebste“, sagte Tanner leise, erntete dafür
jedoch nur einen wütenden Blick und zog sich, sein Lächeln verbergend,
vorsichtshalber ein paar Schritte zurück.
Lydia
wandte sich wieder Jasmine zu. „Wer ist dein Liebhaber?“, fragte sie
unumwunden, offensichtlich nicht in der Stimmung für einfühlsames Vorgehen.
„Aber ...
aber es war doch unser Geheimnis! Du hast es versprochen.“ Unsicher
schielte das Mädchen zu Tanner hinüber. „Hat sie dir den Namen gesagt?“
„Schulmeister
Beattie, ja. Da mir mein Leben lieb ist, werde ich mich besser nicht
einmischen, aber ich sage dir ehrlich, dass sie dir wohl kein Wort mehr
glaubt.“
Mit seiner
mangelnden Unterstützung war offensichtlich Jasmines letzte Hoffnung dahin.
Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
Zum
Steinerweichen, dachte Tanner, doch Lydia schien nicht sonderlich beeindruckt.
„Jasmine,
dein Bruce ... dein Liebhaber hat möglicherweise deinen Vater ermordet. Nenn
uns seinen Namen. Sofort!“
„Ich weiß.
Ach, ich weiß doch“, jammerte Jasmine. „Und es ist alles meine Schuld
...“
„Nein,
Jasmine, wie hättest du wissen sollen ...“ Tanner unterbrach sich und hob
ergeben die Hände, als sich Lydia mit Schwung ihm zuwandte. Wie es aussah,
hatte seine Allerliebste alle Geduld verloren.
„Seinen
Namen und wo er wohnt!“, fauchte sie Jasmine an.
„Du warst
im Bett mit ihm, du musst wissen, wo er wohnt!“
„Im Bett
mit ihm? Das klingt so billig. Ich habe ihn geliebt!“ Endlich las Tanner
in Lydias Blick nicht nur kalte Zielstrebigkeit.
Der
trauernden Jasmine so hart zu begegnen fiel ihr wohl nicht leicht. Resigniert
aufseufzend zog sie das Mädchen in die Arme. „Es ist ja gut. Komm her, keiner
gibt dir die Schuld. Du warst nur dumm, aber dieser Mann, dieser skrupellose
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