Kasey Michaels
zweite Tür eintrat, konnte jedoch
nicht erkennen, wo der seinen Standpunkt suchte.
Es wäre
natürlich teuflisch, wenn sie Flanagan genau zwischen sich festnagelten, sodass
sie nicht feuern konnten, ohne Gefahr zu laufen, sich gegenseitig zu treffen.
So etwas fiel einem natürlich erst ein, wenn es schon zu spät war ...
Dann drang
plötzlich von draußen ein kaum hörbares Scharren an sein Ohr und das harte
Geräusch eines Absatzes auf Stein; unmittelbar darauf knirschte ein Schlüssel
im Schlüsselloch, und schon stand Brice Flanagan im Zimmer.
Los, steck
eine Kerze an! Mach Licht, dachte Tanner beschwörend. Denn angestrahlt vom
Kerzenschein wäre es ein Leichtes, den Kerl zu stellen.
Doch
Flanagan tat nichts dergleichen. Eine Weile stand er reglos da, ehe er sich in
Tanners Richtung wandte und schnurstracks auf die Bücherborde an der Wand
zustrebte. Tanners Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, sodass
er erkennen konnte, wie der Mann die mitgebrachte Pistole in den Hosenbund
schob und begann, mit beiden Händen nach den geschnitzten Pilastern zu tasten,
die die einzelnen Regale voneinander trennten. Beim dritten hielt er inne. Er
fuhr den Schaft entlang bis zu einer der Rosetten, die jeweils das vierte Bord
markierten, und drückte fest auf deren Mittelpunkt. Daraufhin glitt ein Teil
der Regalrückwand zur Seite und gab eine kleine Nische in der Mauer frei. Mit
der Haltung eines vom Erfolg Überzeugten griff Flanagan in die Öffnung, um zu
nehmen, was er gesucht hatte.
Nur dass da
nichts war.
Tanner sah
amüsiert zu, wie er immer aufgeregter tastete und tappte, ja sogar sich auf die
Zehenspitzen reckte, um in die dunkle Höhlung hineinspähen zu können, und
endlich mit beiden Hände darin umherfühlte.
„Da ist
nichts, tut mir leid“, sagte Justin, und gleichzeitig kam Tanner aus
seinem Versteck, denn beschäftigt, wie der Dieb war, gab es keine günstigere
Gelegenheit, ihn zu überwältigen. „Als ich zuvor das Fach entdeckte, war ich
nicht weniger hoffnungsvoll als Sie. Doch leider keine glitzernden Brillanten,
wie man Ihnen versprochen hatte. Sie haben Thomas Harburton vergebens
getötet.“
Bei den
ersten Worten war Flanagan herumgewirbelt und hatte nach seiner Pistole
gegriffen, doch zu spät.
Tanner
hätte ihn erschießen können, oder Justin hätte ihn, worauf er offensichtlich
versessen war, zu Tode reden können. Aber Tanner war weder wild verwegen noch
auch nur im Mindesten extravagant, und so begnügte er sich damit, verstohlen
hinter dem Schurken aufzutauchen und ihm den Knauf seiner Waffe über den
Schädel zu ziehen. Dann nahm er ungerührt zur Kenntnis, wie der Mistkerl
bewusstlos am Boden zusammensackte.
Bestimmt
würde Lydia es so billigen.
21. Kapitel
ie
standen vor der
Familiengruft, in der Thomas Harburton gerade zur letzten Ruhen gebettet wurde.
Verstohlen griff Tanner nach Lydias Hand und barg sie fest in der seinen.
Justin
hatte sich Jasmines angenommen, sowohl in der Kapelle als auch während des
traurigen Marschs zur Gruft, und sie stützte sich schwer auf ihn, ein Bild des
Grams, aber trotzdem umwerfend schön in ihrer schwarzen Trauerkleidung.
Seit
Thomas' Tod herrschte eine sehr bedrückte Stimmung im Haus. Jasmine hielt sich
vorwiegend in ihren Räumen auf, verspeiste aber zumindest weiterhin die
Mahlzeiten, die Tanner ihr hinaufschicken ließ, mit bestem Appetit.
Heute
Morgen dann, kurz vor dem Trauergottesdienst, hatte sie sie alle verblüfft, als
sie verkündete, dass sie am liebsten in Wales bei ihrer Tante, einer Schwester
ihrer verstorbenen Mutter, leben würde, wo sie um ihren armen Vater trauern und
für ihre fleischlichen Sünden Buße tun wolle.
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