Kasey Michaels
hätte ich da die Stiefel zu Hause
lassen können? Ich ... ich bin ganz gespannt auf all das, was Sie mir zeigen
werden.“
Sein Pferd
brach leicht aus, weil er versehentlich an den Zügeln gezogen hatte. Entweder
hatte sie verstanden, was er meinte, oder sie war so unschuldig, dass er sie
besser, sobald sie die Poststation erreichten, wieder heim zu ihrem Bruder
schickte.
„Lydia, ich
möchte Ihnen so vieles zeigen.“ Er beobachtete sie scharf.
„Und ich
möchte so viel lernen“, antwortet sie leise und schlug die langen Wimpern
nieder, damit er nicht in ihren Augen lesen konnte.
Bedeutete
sie ihm, dass sie zu mehr bereit war? Im Grunde glaubte er es, hoffte es.
Rafe hatte
ihm seinen Segen gegeben, zusammen mit dem Rat, dass eine Frau es auch leid
werden kann wie ein zartes Blümchen behandelt zu werden. Und als ob das nicht
genug wäre, hatte Charlotte ihm beim Abschied zugeflüstert: „Sagen Sie es ihr,
Tanner, sie ist bereit, aus ihrem lange gehüteten Traum aufzuwachen. Sie will
endlich eine Frau sein. Lassen Sie nicht zu, dass ein anderer sie weckt. Nicht,
wenn Sie sie lieben.“
Vor ihnen
verlangsamte die Kutsche ihre Fahrt, denn ein kleines Dorf kam in Sicht, und dahinter
die Poststation mit dem Gasthaus. Ein frisches Gespann, Speis und Trank
warteten auf sie. Und Baron Justin Wilde, der vermutlich noch damit beschäftigt
war, sich herauszuputzen, wild entschlossen, seinem Freund das Leben schwer zu
machen.
„Und das
auf meine Einladung!“, murmelte Tanner vor sich hin.
„Verzeihung,
sagten Sie etwas?“, fragte Lydia, während sie in den Hof einritten.
„Ich
fragte, ob Sie hungrig sind“, schwindelte er. „Justin versprach, ein Mahl
für uns zu bestellen.“
„Ist er
deshalb vorausgeritten? Wie zuvorkommend.“
„Ja, so ist
Justin, zuvorkommen. Darf ich Ihnen aus dem Sattel helfen?“
Tanner
sprang vom Pferd, übergab dem wartenden Stallburschen die Zügel und ging zu
Lydia, der er die Arme entgegenreckte. Sie schwang ein Bein über den
Sattelknopf, stützte sich auf seinen Schultern ab und ließ es zu, dass er ihre
Taille umfing.
Dicht an
seinen Körper geschmiegt glitt Lydia zu Boden, wo er sie sanft festhielt, bis
ein anderer Bursche ihre Stute übernahm und fortführte. Fragend schaute er ihr
in die Augen, voller Sehnsucht, auszusprechen, was ihm schon lange auf der
Zunge brannte: Wie schön sie war, und dass allein schon ihr Lächeln ihm den
Atem raubte, sodass er ihr nicht nur die Welt zu Füßen legen wollte, sondern Sonne,
Mond und Sterne obendrein. Doch er äußerte nur leise und ernst: „Ich kann mich
nicht so gut ausdrücken wie Justin, aber wenn ich etwas sage, meine ich es
auch.“
Sachte
legte sie eine Hand an seine Wange und hielt sie dort einen Herzschlag lang.
„Ich weiß, ich werde es nicht vergessen.“
Ein
bisschen treulos seinem Freund gegenüber kam er sich schon vor. War er ein
Narr? „Ich würde Ihnen niemals wehtun“, flüsterte er.
„Ja, ich
weiß.“ Zögernd ließ sie ihre Hand sinken. „Ich glaube, drinnen fragen sie
sich schon, wo wir bleiben. Gehen wir hinein?“
Er nickte,
löste sich von ihr und bot ihr seinen Arm.
11. Kapitel
ie Wirtin führte Jasmine und Lydia in
ein für sie hergerichtetes Zimmer, damit sie sich vom Reisestaub reinigen
konnten.
„Ach, ist
das nicht hübsch?“, rief Jasmine und stürzte sich gleich auf das
Waschgeschirr. „Es macht dir doch nichts, dass ich mir zuerst die Hände wasche?
Du hattest zwar Reithandschuhe an, aber trotzdem sind deine Hände sicher
schmutzig und riechen nach Pferd, und ich mag mich nicht in verschmutztem
Wasser waschen.“
Noch
während sie sprach, füllte sie die Schüssel und tauche ihre Hände ins Wasser,
sodass Lydia auf eine Antwort verzichtete. Jeder auch nur einen Deut klüger
als Jasmine Harburton hätte erkannt, wie
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