Kasey Michaels
Justin, sie ist dir über. Oh, und was das Warten betrifft – so lange
kann es nicht gewesen sein. Dein Haar ist noch feucht vom Bad“, trumpfte
Tanner auf. „Wo ist Jasmine?“
„Deine
Cousine? Ich habe keine Ahnung. Hast du sie verloren? Schäm dich,
Tanner.“
Lydia und
Tanner sahen sich an. „Vielleicht habe ich sie oben im Zimmer ungewollt durch
irgendetwas verstimmt?“, meinte Lydia. „Aber deshalb würde sie doch nicht
einfach auf und davon gehen, oder?“
„Weiß der
Himmel“, grollte Tanner, schon auf dem Weg hinaus, und Lydia folgte ihm.
„Ich darf
schon mal anfangen, oder?“, rief Justin ihnen nach. „Ich betrachte dieses
Knurren als Zustimmung! Beeilt euch!“
„Wo kann
sie hingegangen sein?“, fragte Lydia, während Tanner in den Schankraum
lugte und dann auf den staubigen Hof hinausging. „Macht sie das öfter, wenn sie
schmollt?“
„Was
glauben Sie, wieso sie damals in der Wäschekammer landete?“ Er wechselte
das Thema. „Was hatten Sie denn zu ihr gesagt?“
Da sie ihm
das kaum erzählen konnte, überhörte Lydia die Frage und zeigte wortlos zu einem
Pfad, der zu einem kleinen Hain führte.
Im gleichen
Moment kam Jasmine daraus hervor, ganze Büschel wilder Blumen im Arm. Die
Sonne schien durch das Blattwerk auf sie nieder und entzündete rötliche Funken
in ihrem dunklen Haar. Sie bot ein Bild jugendlicher Unschuld und ätherischer
Schönheit.
„Herrgott
im Himmel ...“, stieß Tanner ärgerlich hervor, sichtlich unbeeindruckt von
dem Anblick.
„Huhu,
Tanner, Lydia! Habt ihr mich gesucht? Oh, ihr schaut so finster!“ Jasmine
ließ die zarten Schultern hängen und ihre Unterlippe begann zu beben. „Es tut
mir so leid, aber ich sah diese hübschen Blumen drinnen auf dem Tisch, und ein
Diener sagte, sie wüchsen dort drüben am Bach, da konnte ich nicht widerstehen!
Ich wollte der lieben Lydia eine Freude damit machen.“ Damit drückte sie
Lydia das Bündel in die Arme. „Hier, nimm sie als Entschuldigung, weil ich
vorhin beide Handtücher benutzt habe. Meinst du, ich hätte es nicht
gemerkt?“
Beinahe
hätte Lydia gefragt, was sie denn als Ausgleich für die gemopste Zimtschnecke
bekommen werde, nahm jedoch kommentarlos die Blumen, wobei sie dachte, dass
Jasmine sie ziemlich hastig ausgerupft haben müsse, denn es hingen teilweise
noch Wurzeln und Erde daran. „Danke, Jasmine. Sehr lieb von dir.“
„Und
ziemlich dumm.“ Tanner reichte Jasmine sein Taschentuch, damit sie sich
die von Pflanzensaft grünen Hände säubern konnte. „Wir sind hier nicht auf
Malvern, du hättest nicht allein losziehen dürfen.“
„Ja, Tanner,
ich werde es nicht wieder tun.“ Dann nahm sie Lydia die Blumen wieder ab
und sagte munter: „Und jetzt besorge ich uns bei der Wirtin eine Vase!“
„Sie ist
ein solches Kind“, meinte er, während sie zurück zum Haus rannte.
„Ja, in
mancher Hinsicht schon“, entgegnete Lydia und dachte an das bewusste
Briefchen. Plötzlich fühlte sie sich sehr gereift und
betrüblich jungfräulich. „Wie gut kannte Ihr Vater sie eigentlich?“
Tanners
Mundwinkel zuckten. „Meinen Sie, er wollte mich mit seinem letzten Wunsch noch
aus dem Grab heraus bestrafen? Genau das habe ich mich auch schon öfter
gefragt. Obwohl ich eigentlich nicht glaube, dass er diesen Wunsch überhaupt
äußerte.“
„Nein?“
Lydias Herz setzte einen Schlag aus. Also wirklich, es war doch irritierend, wie
sehr es sie angriff, über Tanners Zukunft auch nur zu sprechen. „Ist das der
Grund, warum ...“
„Sie
meinen, warum ich mich ihr nach zwei Jahren immer noch nicht erklärt
habe?“ Er sah sie eindringlich an. „Nein, Lydia, das
ist nicht der Grund, war es nie.“ Er ergriff ihre Hände. „Lydia, wir
müssen wirklich reden. Ob wir auf Malvern ungestört sein werden, weiß der
Himmel. Hätten Sie
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