Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
De Gruye, der van den Berg oft zur Seite sprang.
Niemand machte Anstalten, De Wildes ablehnender Haltung zu folgen. De Breuyn brachte die Variante ins Spiel, Hugo verdeckt zu verfolgen und so mit etwas Glück die Spur zu Frederique Fontaine zu finden. Van den Berg hielt wenig von dieser Idee, vor allem, weil er es für unmöglich hielt, ihm dauerhaft auf den Fersen zu bleiben. Nein, sie mussten erst mal diesen Paul Hugo schnappen und das so bald wie möglich. Sie konnten nicht sicher sein, ihren unberechenbaren Gegner tatsächlich im Wald anzutreffen.
Van den Berg überlegte kurz, vorab zu checken, ob sich Hugo tatsächlich in dem Holzhaus aufhielt. Aber der Kommissar verwarf den Gedanken schnell. Mit solch einer Aktion hätten sie nicht nur Kopf und Kragen riskiert, sondern Hugo auch vorgewarnt.
Dimitri Shevchenko hatte den Polizisten exakt aufgezeichnet, wo die Hütte lag. Jetzt musste es ganz schnell gehen. Van den Berg und Nicole fuhren zusammen voraus, zwanzig Scharfschützen folgten in Mannschaftswagen. Sie warteten ab, bis es dunkel wurde. Jetzt, wo die kürzesten Tage des Jahres angebrochen waren, mussten sie sich nicht lange gedulden, bis sie zuschlagen konnten. Der Einsatztrupp schlich in Tarnklamotten zur Hütte, um die sie im Radius von zwanzig Metern einen Kreis bildeten. Van den Berg sah aus einiger Entfernung, dass Licht durch die Fensterscheiben schimmerte. Als sie näher an das Blockhaus ran rückten, konnten sie einen Schatten erkennen, der sich im Innern des Häuschens bewegte.
Es war kurz nach 17 Uhr, als es losging. Van den Berg pochte heftig an die Tür, die sich keine fünf Sekunden später öffnete. Zehn Männer der Spezialeinheit stürmten die Hütte mit lautem Gebrüll. „Die Hände in die Höhe und dann auf den Boden“, befahlen die maskierten Polizisten martialisch. Alles ging ganz schnell, es gab keinerlei Widerstand. Als van den Berg durch die Tür trat, stieß er einen lauten Fluch aus. „Scheiße, das war ja wohl die falsche Adresse“, schrie er. Er musterte einen etwa Dreißigjährigen, der zusammen mit seiner Freundin bäuchlings auf dem Boden lag. „Lasst sie los“, fuhr er die Kollegen an.
Van den Berg schickte die Polizisten aus der Hütte und befreite das geschockte Paar eigenhändig von den Handschellen. Der Kommissar fühlte sich schlecht. „Ich muss mich bei euch entschuldigen, das tut mir wahnsinnig leid“, sagte er und nahm die beiden freundschaftlich in den Arm. „Ich mache das wieder gut“, versprach er im Herausgehen. Der Kommissar hatte Mühe, sich im Zaum zu halten. Er konnte es nicht fassen, dass ihnen ausgerechnet jetzt ein unverzeihlicher Fehler unterlaufen war.
Er blickte auf die Zeichnung, die ihm Dimitri Shevchenko gegeben hatte. Er erkannte gleich, dass die Beschreibung des Ukrainers völlig korrekt war. Sie hatten sich geirrt, weil sie die Lage des Hauses aus der falschen Perspektive betrachtet hatten. „Wir sind nicht von Norden, sondern von Süden gekommen“, merkte De Gruye korrekt an. „Ich muss zugegeben, dass mir das vorhin auch nicht aufgefallen ist“, sagte van den Berg mit beleidigtem Gesicht.
Nun war Hugo nicht mehr schwer zu orten. Er musste in jener Hütte sein, die ganz ähnlich aussah, wie das Objekt, das sie gerade gestürmt hatten. Als sie vor dem Holzhäuschen standen, wuchsen van den Bergs Zweifel. „Alles ist dunkel, die Vorhänge sind zugezogen“, flüsterte er zu De Gruye, der enttäuscht nickte. Van den Berg befahl, in der gleichen Weise vorzugehen wie vor ein paar Minuten. Sie schlugen gegen die Türe, aber diesmal passierte nichts.
Die Sondereinheit eroberte die Hütte wieder mit lautem Tamtam. „Alle Räume gesichert“, rief einer der Maskierten ein paar Sekunden später. Hugo war verschwunden, wieder einmal. Van den Berg blickte auf die Ablage am Waschbecken. Neben einem benutzten Teller stand eine Tasse, die zur Hälfte mit Kaffee gefüllt war. „Der Cappuccino ist lauwarm – er ist noch nicht lange weg“, meinte der Kommissar zu De Gruye. „Dann hat er uns wohl bemerkt.“ „Das war auch wirklich nicht schwer“, erwiderte van den Berg mit ironischem Grinsen. Dann sah der Kommissar, dass das Notebook im Standby-Modus lief.
Hugo konnte sich vor Lachen kaum einkriegen, als er in seinem alten Ford aus dem Waldstück herausgefahren war. Er hatte das Manöver der Bullen aus der Ferne verfolgt. Ihm war klar, dass er unter normalen Umständen keine Chance gehabt hätte zu fliehen
Weitere Kostenlose Bücher